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Human- und Veterinärmediziner verstärken Kooperation in Diagnostik und Epidemiologie von EHEC-Erkrankungen

20/1996, 27.11.1996

Kenntnis der Infektionsursachen und -wege ist Voraussetzung für präventive Maßnahmen

Wissenschaftler, Experten und Labordiagnostiker aus der Human- und Veterinärmedizin sowie der Lebensmittelüberwachung trafen sich auf Einladung des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV, in Dessau zu einem ersten gemeinsamen Fachgespräch, um über interdisziplinäre Strategien zur EHEC-Diagnostik zu sprechen. Vereinbarungen über eine bessere wechselseitige Zusammenarbeit zur Aufklärung der Infektionsketten sowie einen engen Austausch von Daten und Erregerisolaten sind ein erstes wichtiges Ergebnis. Die Ansprüche von Human- und Veterinärmedizinern an diagnostische Verfahren zum Nachweis von Infektionen durch enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) unterscheiden sich deutlich, das Ziel ist gleich: die Diagnose möglichst schnell zu stellen, Infektionsursachen und -wege möglichst rasch und eindeutig zu identifizieren, um den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung vor einer Krankheit zu verbessern, bei der die therapeutischen Möglichkeiten beschränkt sind.

EHEC-Bakterien verursachen bei empfindlichen Personen akute, in schweren Fällen blutige Durchfallerkrankungen. In besonders schweren Fällen kann es zu einer Schädigung der Niere und zum Nierenversagen, dem sogenannten hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), kommen. Besonders gefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder, ältere und abwehrgeschwächte Menschen. Als Hauptinfektionsquellen für EHEC gelten rohes oder unzureichend durchgegartes Rindfleisch und rohe oder unzureichend erhitzte Milch. Daneben werden immer häufiger auch Infektionen durch Kontakte von Mensch zu Mensch übertragen.

EHEC-Infektionen haben in den letzten Jahren weltweit erheblich zugenommen. 1996 erkrankten in Japan rund 11.000 Personen, sechs Kinder und fünf Erwachsene starben. Mehr als 100 Erkrankungsfälle wurden 1995/96 aus Schweden gemeldet, davon 27 schwere Erkrankungen, die mit der Ausbildung eines hämolytisch-urämischen Syndroms einhergingen. Weitere Erkrankungszahlen liegen aus England, Schottland, Australien und den USA vor. Auch aus Deutschland werden EHEC-Infektionen gemeldet: Seit 1995 erkrankten in Bayern 51 Kinder an EHEC, sieben Kinder starben. Infektionsursachen und -wege können häufig nur vermutet werden, weil handfeste Indizien fehlen. Die Diagnostik wird zusätzlich durch das Auftreten atypischer Erregervarianten erschwert, die erst in wenigen Labors nachgewiesen werden können.

Erstes diagnostisches Suchkriterium beim Nachweis einer EHEC-Infektion ist das von den Bakterien gebildete Verotoxin. Die Fähigkeit zur Bildung dieses Giftstoffes stellt ein Pathogenitätsmerkmal dar. Während der Arzt für seine Patienten eine Schnelldiagnose mit Direktnachweis des Verotoxins braucht, um kurzfristig therapeutische Maßnahmen einleiten zu können, benötigen Lebensmittelhygieniker und Epidemiologen diagnostische Verfahren, die mit wesentlich höherem zeitlichen und materiellen Aufwand geringste Erregerkonzentrationen aus einer großen Zahl von Begleitkeimen nachweisen. In enger Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, dem Robert-Koch-Institut (RKI) und dem BgVV sollen einheitliche Empfehlungen für die bakteriologische EHEC-Diagnostik erarbeitet werden, die diese unterschiedlichen Anforderungen erfüllen.

BgVV und RKI werden im Rahmen ihrer Referenztätigkeit eine aktuelle Liste der Laboratorien zusammenstellen, die sich auf die weitere Charakterisierung von verotoxinogenen E. coli spezialisiert haben. Längerfristig sollte in jedem Bundesland mindestens jeweils ein Speziallabor für die medizinische Infektionsdiagnostik und für die Untersuchung von Lebensmitteln und Tieren zur Verfügung stehen.

Der interdisziplinäre Austausch von Informationen, Isolaten und Befunddaten soll auf der Basis der Zoonosenrichtlinie von 1992 deutlich erleichtert werden, um Infektionsketten gemeinsam lückenlos aufklären zu können.

EHEC-Infektionen und HUS-Erkrankungen sollten künftig mit einem bundesweiten Datenregister einheitlich erfaßt werden. Es wird erwartet, daß eine Meldepflicht im neuen Infektionsschutzgesetz verankert wird.

Angeregt wurde die Durchführung einer multizentrischen Fallkontrollstudie, um erforderliche Informationen zum Infektionsgeschehen zu erhalten.

Die Fortbildung für human- wie veterinärmedizinische Labordiagnostiker im Nationalen veterinärmedizinischen Referenzlabor für E. coli des BgVV in Dessau wird fortgesetzt.

Zur Information der Ärzteschaft wurde von RKI und BgVV ein EHEC-Merkblatt erarbeitet, das in Kürze beim Deutschen Ärzte-Verlag in Köln erhältlich sein wird.

Die kontinuierliche Information der Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse zur Vermeidung von Infektionsrisiken soll fortgesetzt werden (vgl. BgVV-Pressedienste 05/95, 03/96, RKI-Pressedienst 20/96).

Für Verbraucher gelten folgende Empfehlungen:

  • Fleisch sollte nur durchgegart verzehrt werden.
  • "Rohmilch ab Hof" sollte vor Genuß abgekocht, oder es sollte pasteurisierte Milch verwendet werden.
  • Säuglinge, Kleinkinder, ältere Menschen und abwehrgeschwächte Personen sollten keine rohen Lebensmittel tierischer Herkunft verzehren - auch keine Vorzugsmilch.
  • Bei der Zubereitung von Speisen muß, wie grundsätzlich zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen, auf eine konsequente Küchenhygiene geachtet werden.

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