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BgVV für Bündelung der Kompetenzen im gesundheitlichen Verbraucherschutz und mehr Transparenz für den Verbraucher
01/2001, 03.01.2001
Bundesinstitut will seine Kapazitäten stärker für die TSE-Forschung nutzen
Durch eine Bündelung der Kompetenzen im gesundheitlichen Verbraucherschutz wäre nach Ansicht des Leiters des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Dr. Dieter Arnold, eine sicherere und schnellere Risikoabschätzung und damit ein wirksamereres Risikomanagement möglich. Vor dem Hintergrund der BSE-Krise plädiert der Institutsleiter für eine gesetzliche Verpflichtung zur Veröffentlichung aller Gutachten und Maßnahmenvorschläge, um die Transparenz wissenschaftlicher Beratung und politischer Entscheidungen für den Verbraucher zu erhöhen. Seine in Berlin und Jena vorhandenen Kapazitäten wird das unter der Aufsicht des Bundesminsteriums für Gesundheit arbeitende Institut verstärkt für die Erforschung übertragbarer spongiformer Enzephalopathien (Transmissible Spongiforme Encephalopathies, TSE) einsetzen. Die Erforschung der TSEs beim Schaf und ihre Bedeutung für die Gesundheit des Verbrauchers werden dabei an zentraler Stelle stehen. Wegen der langen Inkubationszeiten ist mit kurzfristigen Ergebnissen nicht zu rechnen. Dennoch kann nur die Forschung Antworten auf die Vielzahl offener Fragen geben und damit die Basis für effektive Maßnahmen bilden.
Die Vorschläge für die Errichtung eines Bundesamtes für gesundheitlichen Verbraucherschutz begrüßt das BgVV gerade auch im Hinblick auf die Gründung einer Europäischen Lebensmittelbehörde. Die BSE-Krise hat erneut gezeigt, dass nur eine Bündelung der Kompetenzen im Verbraucherschutz eine wirksame Vertretung der nationalen Interessen innerhalb der Europäischen Staatengemeinschaft ermöglicht. Arnold verweist auf die gelungene Neustrukturierung der Lebensmittelbehörden in England und Frankreich, bei der größtmögliche Unabhängigkeit, Transparenz und die Einbindung der Verbraucher im Mittelpunkt gestanden hätten. Nach Ansicht des BgVV sollte es eine gesetzliche Verpflichtung für alle Institutionen auf Bundes- und Landesebene geben, Gutachten und Maßnahmenvorschläge im Internet zu veröffentlichen.
Die derzeitige Zersplitterung der Zuständigkeiten bei der Arbeit für den Verbraucherschutz in Deutschland ist nach Ansicht von Arnold häufig kontraproduktiv. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, hält er eine eindeutige Zuordnung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zum Bundesministerium für Gesundheit für unumgänglich. Das BgVV sieht er dabei als Kristallisationspunkt im engen Zusammenspiel mit anderen Bundesinstituten und Bundesanstalten. Auch Bundesregierung und Bundesrat sehen das Institut als Partner für die Zusammenarbeit mit der künftigen Europäischen Behörde in Fragen der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes.
Das Bundesinstitut, das in Berlin und Jena über umfangreiche Stall- und Laborkapazitäten verfügt, will diese verstärkt für die Erforschung von BSE und Scrapie im nationalen und internationalen Forschungsverbund nutzen. Es will sich auch der Frage widmen, ob es vergleichbare Erkrankungen bei Fischen gibt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt wird die Epidemiologie von TSEs bei lebensmittelliefernden Tieren sein. Das Institut hat überdies gerade ein neues, auf der Polymerasekettenreaktion basierendes Testverfahren zur Herkunftsbestimmung von Fleisch entwickelt, mit dem sich verlässlich nachweisen lässt, von welcher Tierart das Fleisch stammt. Der Test, der derzeit validiert wird, wird gerade vor dem Hintergrund des jetzt aufgedeckten Etikettenschwindels bei sogenannten "rindfleischfreien" Wurstwaren im Bereich der Lebensmittelüberwachung einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz leisten.
Künftig will das BgVV auch am lebenden Tier und insbesondere am Schaf zu übertragbaren spongiformen Enzephalopathien forschen. Hintergrund: Die auch als "Traberkrankheit" bezeichnete Scrapie-Infektion des Schafes tritt seit Jahrhunderten in Schafbeständen auf. In Deutschland ist es durch konsequente seuchenhygienische Maßnahmen gelungen, die Krankheit weitgehend einzudämmen. In den Mittelpunkt wissenschaftlicher Diskussionen ist jetzt die Frage getreten, ob sich hinter den Scrapie-Fällen bislang unerkannte BSE-Fälle "verstecken" könnten. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes hält das BgVV eine Testung der Schlachtschafe für sinnvoll und fordert die Hersteller auf, die Erarbeitung eines validen und in der Routine einsetzbaren Tests zur Differentialdiagnose von Scrapie und BSE beim Schaf mit Nachdruck voranzutreiben. Derzeit steht ein solcher Test nicht zur Verfügung. Das BgVV hat wiederholt ausdrücklich auf den Forschungsbedarf zu einem potenziellen BSE-Risiko beim Schaf hingewiesen. Im Auftrag des BMG arbeitet das Institut derzeit gemeinsam mit anderen Bundesinstitutionen an einer entsprechenden Risikobewertung. Bereits im November hat das BgVV die Verbraucher darüber informiert, dass der Verzehr von Schaffleisch ebenso mit einem Restrisiko behaftet ist wie der Verzehr von Rindfleisch (vgl. bgvv-pressedienst Nr. 26 vom 28. November 2000). Die Verwendung von Risikomaterialien vom Schaf ist allerdings seit Oktober 2000 ebenso verboten wie die von Rind und Ziege.