Darum geht es:
- Synthetische Kühlstoffe wie WS-23, WS-3 und WS-5 sind in E-Zigaretten weit verbreitet. Sie werden den Flüssigkeiten (Liquids) beigemischt, die beim Konsum von E-Zigaretten verdampft und inhaliert werden.
- Die Kühlstoffe hinterlassen beim Inhalieren des Dampfes ein Kältegefühl, was Nutzerinnen und Nutzer häufig als angenehm empfinden.
- Da die kühlenden Effekte das Inhalieren erleichtern, können sie eine erhöhte Nikotinaufnahme zur Folge haben und möglicherweise zu einer stärkeren Abhängigkeit führen, insbesondere bei jungen und unerfahrenen Nutzerinnen und Nutzern.
- Die Datenlage zu möglichen gesundheitlichen Risiken der Stoffe ist sehr begrenzt. Insbesondere die Effekte beim Einatmen (inhalative Toxizität) sind schlecht untersucht.
- Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat die vorhandenen wissenschaftlichen Daten (aus Zell- und Tierstudien) zu den drei Kühlstoffen ausgewertet und eine Abschätzung der gesundheitlichen Risiken vorgenommen. Das Ergebnis: Bei der Nutzung von E-Zigaretten gelangen Stoffmengen in den Körper, die über den Mengen liegen, bei denen in Tierversuchen keine gesundheitlichen Effekte auftraten. Vor allem bei regelmäßigem Konsum muss deshalb aus Sicht des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung mit einem Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher gerechnet werden.
- Die Aufnahme der Stoffe in den Körper führte in den Tierstudien in erster Linie zu Schädigungen der Leber und der Niere. Wie die Stoffe beim Einatmen auf die Lunge wirken, lässt sich momentan nicht sagen, weil es dazu keine Untersuchungen gibt.
Risikoprofil zu Kühlstoffen aus E-Zigaretten
- Wie gelangen Kühlstoffe aus E-Zigaretten in den Körper?
- Gibt es einen gesundheitlichen Richtwert?
- Besteht ein gesundheitliches Risiko?
- Wie ist die Qualität der Datenlage?
- Wie kann das Gesundheitsrisiko durch Kühlstoffe in E-Zigaretten verringert werden?
1 Gegenstand der Bewertung
In der vorliegenden Stellungnahme wurde eine gesundheitliche Risikobewertung von Stoffen in E-Zigaretten bzw. Nachfüllflüssigkeiten (E-Liquids), die ein Kälteempfinden erzeugen, (sogenannte Cooling Agents, im Folgenden als Kühlstoffe bezeichnet), vorgenommen.
Im Fokus dieser Bewertung stehen die Kühlstoffe N,2,3-Trimethyl-2-iso-propyl-butyramid (WS-23; CAS 51115-67-4; EC 256-974-4), N-Ethyl-2-isopropyl-5-methylcyclohexane-carboxamide (WS-3; CAS 39711-79-0; EC 254-599-0) und Ethyl 2-[[(1R,2S,5R)-5-methyl-2-propan-2-ylcyclohexanecarbonyl]amino]acetate (WS-5; CAS 68489-14-5; EC 695-735-2). Anlass für die Bewertung sind unter anderem die hohe Verbreitung von Kühlstoffen in E-Liquids sowie ein Bericht aus Baden-Württemberg über eine schwerwiegende Lungenschädigung mit Todesfolge nach Konsum einer E-Zigarette, die WS-23 enthielt. Die Gehalte an WS-23 in auf dem Markt befindlichen Produkten variieren zum Teil stark. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe (CVUA-OWL) berichtet WS-23-Konzentrationen zwischen 0,55 und 0,86 Gewichts-% in untersuchten Einweg-E-Zigaretten. Im Online-Portal der Europäischen Kommission (EU-CEG) sind Konzentrationen von bis zu 4 Gewichts-% durch den Importeur gemeldet.
Die Stellungnahme Nr. 045/2015 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) vom 30. Juli 2015 bewertet die gesundheitlichen Risiken von Zusatzstoffen in Tabakerzeugnissen und E-Zigaretten, einschließlich WS-23, WS-5 und WS-3. In seiner Stellungnahme empfiehlt das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung eine umfassende Risikobewertung für inhalierte Kühlstoffe und schlägt im Kontext zu den kühlenden und lokalanästhetischen Effekten (die eine Inhalation von Tabakrauch erleichtern) vor, Stoffgruppen mit TRPM8-Rezeptor-Agonisten, wie z. B. substituierten p-Menthan-Verbindungen, zu prüfen und möglicherweise zu verbieten, da ähnlich wie bei Menthol eine Erleichterung der Inhalation zu erwarten ist. Dies ist für konventionellen Rauchtabak aufgrund der inhalationserleichternden Eigenschaften dieser Stoffe in Form der Anlage 1 der Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) auch so geschehen.
Die Kühlstoffe WS-23, WS-3 und WS-5 sind in E-Zigaretten weit verbreitet und erzeugen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern den Eindruck einer kühlenden Wirkung, der oft als angenehm empfunden wird. Ursprünglich wurden diese Verbindungen als Teil eines Forschungsprogramms zur Suche nach erfrischenden Substanzen für Rasierprodukte entwickelt. Heute werden sie in verschiedenen Produkten verwendet, darunter E-Liquids, in denen sie eine kühlende Wirkung vortäuschen, ohne den Geschmack zu beeinflussen. Sie wirken auf das sensorische Nervensystem, speziell auf den TRPM8-Rezeptor (Transient Receptor Potential Melastatin 8), der für die Wahrnehmung von Kälte verantwortlich ist. Dieser Rezeptor wird normalerweise durch niedrige Temperaturen, aber auch durch Agonisten wie z. B. Menthol aktiviert, was dem Gehirn eine Kühlung signalisiert. Kühlstoffe wie WS-23, WS-3 und WS-5 sind ebenfalls TRPM8-Rezeptor-Agonisten und bewirken diesen Effekt, ohne tatsächlich die Temperatur zu senken.
Obwohl Kühlstoffe wie WS-23, WS-3 und WS-5 bereits in verschiedenen Produkten eingesetzt werden, ist die Datenlage zur Inhalationstoxizität dieser Substanzen, insbesondere im Kontext von E-Zigaretten, unzureichend. Bisherige toxikologische Bewertungen dieser Substanzen beruhen hauptsächlich auf oralen oder dermalen Expositionsszenarien. Da E-Zigaretten eine direkte Inhalation von Aerosolen ermöglichen, ist die ExpositionExpositionZum Glossareintrag der Atemwege von besonderer Bedeutung. Es besteht daher ein dringender Bedarf an spezifischen Daten zur Inhalationstoxizität und zu möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen.
In der hier vorliegenden Risikobewertung für die Kühlstoffe WS-23, WS-3 und WS-5 wurde der Ansatz der Sicherheitsmarge für die Exposition (Margin of Exposure, MOEkurz fürMargin of Exposure) herangezogen sowie eine DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung)-Ableitung (Derived No Effect Level) durchgeführt. Aufbauend auf dem DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung) wurde eine Charakterisierung des Risikos (Risk Characterisation Ratio, RCR) durchgeführt, um das gesundheitliche Risiko einer inhalativen Exposition zu beurteilen. Für jede der genannten Substanzen wurde die Dosis, bei der keine toxikologischen Effekte zu beobachten sind (No Observed Adverse Effect Level, NOAEL) aus relevanten Toxizitätsstudien abgeleitet und mit der tatsächlichen Exposition verglichen. Die resultierenden MOEkurz fürMargin of Exposure-Werte zeigen, ob durch die aktuelle Aufnahme der Substanz eine gesundheitliche Beeinträchtigung wahrscheinlich ist. Ein niedriger MOEkurz fürMargin of Exposure-Wert bzw. die Unterschreitung eines vorab festgelegten MOEs deutet dabei auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hin. Bei Stoffen, die weder genotoxisch noch karzinogen sind, liegt der Minimalwert eines MOEkurz fürMargin of Exposure in der Regel bei 100 oder darüber. Sollte dieser Wert unterschritten werden, kann eine Gefahr für die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), 2023). In der vorliegenden Risikobewertung wurde eine Sicherheitsmarge von 200 für WS-23 und WS-5 verwendet, um den Unsicherheitsfaktor von 2 für die Übertragung von Ergebnissen einer subchronischen Studie auf eine chronische Exposition zu berücksichtigen und so Langzeitwirkungen besser abzudecken. Für WS-3 wurde ein Unsicherheitsfaktor von 6 angewendet (= MOEkurz fürMargin of Exposure von 600), um von einer subakuten Exposition (28 Tage) auf eine chronische Exposition zu extrapolieren (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), 2012a; ECHAkurz fürEuropäische Chemikalienagentur, 2012).
Der MOEkurz fürMargin of Exposure ist kein gesundheitsbezogener Richtwert, d. h. es handelt sich nicht um eine Sicherheitsschwelle, unterhalb derer die tägliche Aufnahme als sicher zu betrachten ist. Der MOEkurz fürMargin of Exposure wird vielmehr dann eingesetzt, wenn Hinweise auf schädliche Wirkungen existieren, die verfügbaren Informationen jedoch nicht ausreichen, um ableiten zu können, welche Menge des Stoffes täglich aufgenommen werden kann, ohne dass es zu Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit kommt.
Zu Vergleichszwecken wurde auch der DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung) gemäß REACH-VO (Verordnung (EG) 1907/2006) berechnet. Der DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung) stellt die abgeleitete Expositionshöhe dar, unterhalb derer der Stoff – unter Berücksichtigung aller bekannten Unsicherheiten – zu keiner Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führt. Ferner wurde zur Risikocharakterisierung die RCR als Verhältnis zwischen der geschätzten Exposition und dem DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung) berechnet. Liegt die geschätzte Exposition über dem DNELkurz fürDerived No Effect Level (abgeleitete/berechnete Exposition ohne Wirkung) (RCR ≥ 1), deutet dies darauf hin, dass ein Risiko für die Gesundheit besteht (ECHAkurz fürEuropäische Chemikalienagentur, 2016).
2 Ergebnis
Die generelle Datenlage zu den Kühlstoffen WS-23, WS-3 und WS-5 ist insgesamt sehr begrenzt. Insbesondere in Bezug auf die inhalative Toxizität dieser Substanzen liegen keine relevanten, validen Daten vor. Die verfügbaren Informationen zur systemischen Toxizität nach wiederholter oraler Gabe deuten jedoch auf ein potenzielles Gesundheitsrisiko hin. Da keine relevanten Daten zur inhalativen Aufnahme vorliegen, wird von einer 100 %igen systemischen Verfügbarkeit ausgegangen. Diese Annahme basiert auf einem Worst-Case-Szenario aufgrund der bestehenden Datenlücken. Die EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) berichtet für WS-23 über hepatische und renale Toxizität ab 10 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG (NOAEL: 5 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG/Tag), für WS-3 über milde Leber- und Nierentoxizität ab 40 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG (NOAEL: 8 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG/Tag) und für WS-5 über renale Veränderungen, Kardiomyopathie bei weiblichen Ratten ab 675 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG, sowie hämatologische Effekte ab 225 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG (NOAEL: 75 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm KG/Tag).
Die Auswertung der vorliegenden Daten ergibt eine Unterschreitung des Referenz-MOEkurz fürMargin of Exposure und eine Überschreitung des RCRs von 1 für die drei betrachten Stoffe WS-23, WS-3 und WS-5 in allen untersuchten Expositionsszenarien, was auf ein Gesundheitsrisiko für die Benutzerinnen und Benutzer hinweist. Eine umfassende Abschätzung der Exposition für diese Stoffe legt nahe, dass ihre inhalative Aufnahme über E-Zigaretten Expositionshöhen überschreiten, unterhalb derer basierend auf Tierstudien keine gesundheitlichen Effekte zu erwarten wären. Insbesondere bei regelmäßigem Konsum von E-Liquids mit hohen Konzentrationen von WS-23, WS-3 und WS-5 muss mit einem Risiko für die menschliche Gesundheit gerechnet werden. Aus diesem Grund ist aus toxikologischer Sicht von der Verwendung WS-23-, WS-3- und WS-5 haltiger E-Liquids abzuraten.
Studien haben gezeigt, dass synthetische Kühlstoffe wie z. B. WS-23 das sensorische Erlebnis beim Konsum von E-Zigaretten deutlich verbessern und die Attraktivität dieser Produkte steigern können (Tackett et al.kurz füret alii (lat. "und andere") 2023). Diese Verbindungen entfalten ihre Wirkung über TRPM8-Rezeptoren, die für die Wahrnehmung von Kühleffekten verantwortlich sind. Synthetische Kühlstoffe können zusätzlich analgetische sowie anti-irritative Eigenschaften aufweisen. Dieser Effekt kann zu einem erhöhten Konsum dieser Kühlstoffe führen. Höhere Konzentrationen der Kühlstoffe in E-Liquids führen wiederum zu einer erhöhten Exposition, die – insbesondere bei wiederholter Anwendung – zu einem gesundheitlichen Risiko führt.
Darüber hinaus können die scheinbar kühlenden Effekte von WS-23, WS-5 und WS-3 auch zu einer erhöhten Aufnahme von Nikotin, einer Veränderung des Inhalationsverhaltens und möglicherweise zu einer stärkeren Abhängigkeit insbesondere bei jungen und unerfahrenen Nutzerinnen und Nutzern führen.
Eine umfassende toxikologische Bewertung von Kühlstoffen generell ist aufgrund der Strukturunterschiede der einzelnen Stoffe nicht möglich, es können somit keine allgemeingültigen Aussagen für alle derzeit auf dem Markt erhältlichen Kühlstoffe getroffen werden.
3 Bewertung
Die Gesamtbewertung ist im PDF-Dokument nachzulesen.
Weitere Informationen zu E-Zigaretten auf der BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-Website
- E-Zigaretten – Alles andere als harmlos zu den Fragen und Antworten des BfR
- E-Zigaretten: Chemikalien-Dampf mit ungeklärten Langzeitfolgen Externer Link: zum BfR-Podcast
- BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-Wissenscomic „Was sagt die Wissenschaft?“ zum Comic E-Zigarette