Kategorie Mitteilungen
Mitteilung Nr. 48/2024

Klimawandel und lebensmittelbedingte Erkrankungen

Darum geht es:

Der Klimawandel kann vielfältige Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben und unter anderem das Risiko für lebensmittelbedingte Erkrankungen in Form von Infektionen durch Bakterien und Parasiten sowie Intoxikationen durch marine Biotoxine erhöhen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) informiert im Zusammenhang mit Anfragen aus der Öffentlichkeit zu dieser Thematik. 

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem häufigeren Auftreten lebensmittelbedingter Erkrankungen gibt. Dieser Trend ist belegbar, obwohl sich im Falle von Bakterien, wie Salmonellen und Campylobacter, und Parasiten, wie Kryptosporidien, Infektionen meist durch gute Küchenhygiene und den richtigen Umgang mit Lebensmitteln während des Transports, der Lagerung und Zubereitung vermeiden lassen. Mit der Erwärmung der Gewässer kann außerdem davon ausgegangen werden, dass die durch Vibrio-Bakterien verursachten Magen-Darm-Erkrankungen und Kontaktinfektionen beim Baden zunehmen werden. 

Insgesamt ist anzunehmen, dass sich Infektionserreger den sich ändernden klimatischen Bedingungen im Laufe der Zeit gut anpassen können. Darüber hinaus führen Wetterextreme, wie Starkregen und Überschwemmungen, zu einer stärkeren Verbreitung von Erregern in der Umwelt. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung führt eigene Studien zur Verbesserung der Datendichte durch. In einem Langzeitprojekt wird beispielsweise das Vorkommen verschiedener Erreger im Zusammenhang mit Umwelteinflüssen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und geografischer Lage untersucht.

Durch den Klimawandel kann sich auch die geografische Verteilung einiger Algenspezies verändern, die giftige Stoffe, sogenannte marine Biotoxine, produzieren. Sie können sich in Muscheln oder Fischen anreichern, die diese Algen als Nahrungsquelle nutzen. Der Verzehr kontaminierter Muscheln oder Fische kann beim Menschen verschiedene Erkrankungen hervorrufen.

Auf Grundlage klimatischer Daten der letzten Jahrzehnte ist abzusehen, dass Faktoren wie Temperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit unmittelbar das gesamte Ökosystem inklusive der darin enthaltenen Mikroorganismen beeinflussen. Durch ein verbessertes Überleben in der Umwelt und eine leichtere Übertragung durch Insekten und Nagetiere steigt bei höheren Außentemperaturen die Wahrscheinlichkeit, dass Nutztiere, die zur Lebensmittelgewinnung bestimmt sind, mit Zoonoseerregern besiedelt werden. 

Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sich Krankheitserreger in leicht verderblichen Lebensmitteln schneller vermehren, insbesondere wenn die Lagerbedingungen im Freien (z. B. beim Grillen oder Picknick) oder in warmen Küchen unzureichend sind. So werden beispielsweise in Deutschland die meisten Salmonellose- und Campylobacteriose-Fälle des Menschen in den Sommermonaten gemeldet. 

Lebensmittelinfektionen durch Bakterien und Parasiten – Hygiene und Erhitzen schützen

Eine im Jahr 2010 veröffentlichte Studie sagte voraus, dass sich die wöchentlichen Fallzahlen von lebensmittelbedingten Salmonellosen um ca. 10 % erhöhen können, wenn die mittlere Höchsttemperatur um 1 °Ckurz fürGrad Celsius steigt (Zhang et al.kurz füret alii (lat. "und andere"), 2010)[1]. Das ist weniger auf einen direkten Einfluss der höheren Temperaturen auf die Bakterien zurückzuführen, als auf eine gestiegene Anzahl heißer Tage, an denen auch die Infektionsrisiken durch beispielsweise Freizeitaktivitäten und nicht eingehaltene Kühlketten ansteigen. 

In der Regel heilen Lebensmittelinfektionen von selbst aus. Für Menschen, deren körpereigene Abwehrkräfte beeinträchtigt oder noch nicht vollständig ausgebildet sind (kleine Kinder, Schwangere, ältere Menschen, Personen mit Vorerkrankungen), können die Erkrankungen aber auch schwer verlaufen und im Einzelfall lebensbedrohlich sein. Um die beispielsweise durch Salmonellen oder Campylobacter hervorgerufenen Magen-Darm-Erkrankungen des Menschen zu vermeiden, sollte auf eine gute Küchenhygiene bei der Lagerung und Zubereitung von Speisen geachtet werden. Hierzu gehören das gründliche Händewaschen, die Verwendung sauberer Küchenutensilien, die Vermeidung von Kreuzkontaminationen, d. h. einer direkten oder indirekten Keimübertragung von einem Lebensmittel auf ein anderes, und die Einhaltung der Kühlkette. Frisches Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr gründlich abgewaschen werden. Eine Erhitzung der Lebensmittel vor dem Verzehr auf mindestens 70 °Ckurz fürGrad Celsius über 2 Minuten im Kern tötet diese und die meisten anderen Krankheitserreger ab.

Auch Infektionen mit Parasiten können durch den Klimawandel begünstigt werden. Dies gilt insbesondere für einzellige Parasiten, sogenannte Protozoen, da diese bereits ohnehin eine hohe Stabilität in der Umwelt aufweisen. Vertreter sind beispielsweise Kryptosporidien und Giardien. Infektionen können symptomfrei, mit Magen-Darm-Erkrankungen, aber auch schwerwiegend mit teils tödlichem Ausgang verlaufen. Es ist davon auszugehen, dass sich die veränderten klimatischen Bedingungen direkt auf die Verbreitung und die Häufigkeit von Infektionen und Erkrankungen durch Parasiten auswirken. Die Übertragung auf den Menschen kann durch kontaminierte Lebensmittel erfolgen, die roh oder nicht ausreichend durcherhitzt verzehrt werden, sowie durch Kreuzkontamination infolge mangelnder Küchenhygiene.

Vibrionen: Infektionsrisiko durch Verzehr und Kontakt

Außerdem wird eine Zunahme der Wassertemperaturen vor allem in Küstennähe von Nord- und Ostsee beobachtet, was sich auf das gesamte Ökosystem auswirkt und das Wachstum bestimmter Erreger, wie etwa Vibrionen, begünstigt. Vibrionen sind Bakterien, die natürlicherweise in der Umwelt, vor allem im Wasser, vorkommen und leichte bis schwere Magen-Darm-Infektionen beim Menschen hervorrufen können, wenn sie über die Nahrung aufgenommen werden. In Meeresfrüchten, wie Muscheln und Garnelen, können sie sich anreichern und bei höheren Wassertemperaturen (> 18 °Ckurz fürGrad Celsius) besonders gut vermehren. Auch beim direkten Kontakt mit Wasser, zum Beispiel beim Baden, können sich immungeschwächte Personen über kleine unbemerkte Wunden mit Vibrionen infizieren. In schwerwiegenden Fällen kann es zu Blutvergiftung mit Todesfolge kommen. Bisher werden in Deutschland nur sehr wenige Vibrio-Infektionen des Menschen gemeldet. Aber mit der Erwärmung der Gewässer ist zu erwarten, dass die Bedeutung dieser Krankheitserreger in Europa und Deutschland zunehmen wird.

Toxine in Fisch und Muscheln

Bestimmte Algenarten produzieren giftige Stoffe, sogenannte marine Biotoxine. Werden solche Algen von Muscheln oder Fischen als Nahrungsquelle genutzt, können sich diese Toxine in deren Gewebe anreichern. Beim Menschen können durch den Verzehr von kontaminierten Muscheln oder Fischen in Abhängigkeit von der Art des Toxins und dessen Gehalt verschiedene Erkrankungen hervorgerufen werden. Die Symptome variieren von Durchfällen, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen über Amnesie und neurologische Störungen wie leichte Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungen, die in sehr seltenen Einzelfällen tödlich verlaufen können. 

Das schnelle Wachstum von Algen wird als Algenblüte bezeichnet. Haben diese Blüten negative Folgen, da sie beispielsweise Toxine produzieren, werden sie als schädliche Algenblüten bezeichnet. Durch den Klimawandel kann sich die geografische Verteilung einiger Algenspezies verändern, die an der Bildung von schädlichen Algenblüten beteiligt sind. Warmwasser-Arten können sich zum Beispiel in Richtung der Pole ausbreiten und in Gegenden auftreten, in denen sie bisher nicht heimisch waren. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher hat die Europäische Kommission Grenzwerte für marine Biotoxine festgelegt (Verordnung EG Nr. 853/2004). 

Toxine von Schimmelpilzen (Mykotoxine)

Neben den in der unten genannten Publikation näher behandelten Risiken wird davon ausgegangen, dass der Klimawandel auch Auswirkungen auf das Vorkommen von Schimmelpilzen sowie von Schimmelpilztoxinen, sogenannten Mykotoxinen, hat. Es handelt sich dabei um natürliche sekundäre Stoffwechsel­produkte, die von Schimmelpilzen produziert werden und bei Tieren und Menschen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. Die toxische Wirkung ist dabei abhängig von dem jeweiligen Toxin, der Aufnahmedauer (akut oder chronisch), der Aufnahmemenge und dem individuellen Gesundheitszustand der Verbraucherinnen und Verbraucher. Zu den möglichen Symptomen einer akuten Mykotoxinvergiftung bei Tieren und Menschen gehören Leber- und Nierenschäden, Beeinträchtigungen des Immunsystems oder des zentralen Nervensystems, hormonähnliche Effekte, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Darüber hinaus können einige Mykotoxine nach chronischer Aufnahme auch krebserregend und erbgutschädigend wirken. Deshalb hat die Europäische Kommission für bestimmte Mykotoxine Höchstgehalte in verschiedenen Lebensmitteln festgelegt (Verordnung (EU) 2023/915).

Das Vorkommen von Schimmelpilzen sowie die Produktion von Mykotoxinen sind von verschiedenen Faktoren wie Temperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit abhängig, so dass deren geographische Verteilung und PrävalenzPrävalenzZum Glossareintrag durch den Klimawandel ebenfalls beeinflusst werden kann.

Weitere Informationen finden sich auch im Artikel „Auswirkungen des Klimawandels auf lebensmittelassoziierte Infektionen und Intoxikationen“, Teil der Beitragsreihe zum „Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit 2023“:                               

Externer Link:https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/Focus/JHealthMonit_2023_S3_Lebensmittelassoziierte_Infektionen_Intoxikationen_Sachstandsbericht_Klimawandel_Gesundheit.pdf?__blob=publicationFile 


[1] Zhang Y, Bi Pkurz fürPhosphor, Hiller JE. Climate variations and Salmonella infection in Australian subtropical and tropical regions. Sci Total Environ. 2010 Jan 1;408(3):524-30

Über das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMELkurz fürBundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.