Darum geht es:
Wie kann man verschiedene tierversuchsfreie Testmethoden so kombinieren, dass eine aussagekräftige und belastbare Risikobewertung von Chemikalien möglich wird? Zu dieser und weiteren Fragen trafen sich internationale Fachleute bei einem zweitägigen Workshop am 27. und 28. Mai 2025, für den das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) in Berlin Gastgeber war.
Im Zentrum standen methodische Ansätze (englisch: New Approach Methodologies) wie z. B. Computermodelle (In-silico-Methoden) oder Zellkulturen (In-vitro-Methoden), die Tierversuche in möglichst vielen Bereichen der Chemikalienbewertung langfristig ersetzen sollen. Potenziale und Grenzen der Anwendung solcher Methoden auf diesem Gebiet werden derzeit intensiv diskutiert, um tragfähige, tierversuchsfreie Test- und Bewertungsstrategien bereitzustellen, die ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit gewährleisten. Dafür werden Workflows benötigt, die Orientierung bieten, welche Methoden man wie kombinieren muss, um bestimmte regulatorische (oder auch wissenschaftliche) Fragestellungen wie z. B. die Ableitung von gesundheitlichen Richtwerten mit einem hohen Maß an Sicherheit zu beantworten. Diese Vorgehensweise heißt auch „Next-Generation Risk Assessment“ (NGRA) – die Risikobewertung der nächsten Generation.
Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung bringt seine Expertise im EU-Projekt RISK-HUNT3R ein, das Teil des ASPIS-Projektverbunds ist (engl. Animal-free Safety Assessment of chemicals: Project cluster for Implementation of novel Strategies). Im RISK-HUNT3R-Projekt wird u. a. ein Workflow zur Bewertung systemischer Toxizität auf der Grundlage tierversuchsfreier In-silico- und In-vitro-Methoden entwickelt, auch „(ASPIS-initiated) Alternative Safety Profiling Algorithm“ oder „ASPA“ genannt. Er soll am Ende alle wesentlichen regulatorischen Fragestellungen abdecken und dafür in modularer Form entsprechende Test-, Auswertungs- und Entscheidungsstrategien anbieten. Zusätzlich zu ASPA wird ein Softwaretool („NAMASTOX“) entwickelt, das die Anwenderinnen und Anwender Schritt für Schritt und in Abhängigkeit von der Fragestellung durch den Workflow führt. Solche Workflows stellen eine wichtige Voraussetzung für den langfristigen Wechsel weg vom aktuellen, tierversuchsbasierten hin zu einem tierversuchsfreien NGRA-Bewertungssystem dar.
Der Workshop versammelte internationale Expertinnen und Experten von Behörden und weiteren Stakeholdergruppen mit dem Ziel, die Funktionalität, aber auch Robustheit von ASPA und NAMASTOX anhand von Fallstudien zu evaluieren. Die Ergebnisse tragen dazu bei, die beiden Konzepte weiter zu verbessern, um zum Projektende von RISK-HUNT3R im Jahr 2026 eine erste, getestet funktionsfähige Version zu erstellen.
Die Bewertung gesundheitlicher Risiken von Lebens- und Futtermitteln, Chemikalien und Verbraucherprodukten erfordert derzeit an vielen Stellen noch immer Ergebnisse aus Tierstudien. Allerdings arbeiten seit langem viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit entsprechend dem so genannten 3R-Prinzip daran, Tierversuche vollständig zu ersetzen (Replacement) bzw., wo dies (noch) nicht möglich ist, die Zahl der Tiere (Reduction) und ihr Leiden in Versuchen (Refinement) soweit möglich zu reduzieren.
Die dabei eingesetzten Ansätze umfassen In-silico-, In-chemico-, In-vitro- und Ex-vivo-Methoden. In-silico-Methoden setzen dabei auf Computermodelle, um beispielsweise die Wirkung oder die Verteilung von bestimmten Stoffen im Organismus vorherzusagen.
In-chemico-Methoden untersuchen chemische Reaktionen, um beispielsweise das Reaktions- oder Interaktionsverhalten eines Stoffes zu untersuchen. In-vitro-Methoden verwenden Zellkulturen, also Zellen, die mit Nährmedium außerhalb des Organismus kultiviert werden. Ex-vivo-Methoden verwenden direkt aus einem lebenden Organismus entnommene Gewebe, die dann außerhalb des Organismus auf bestimmte Chemikalienwirkungen analysiert werden. Tierstudien werden dagegen als In-vivo-Methoden bezeichnet.
Diese Methoden sind im Vergleich zu Tierversuchen in vielen Fällen deutlich einfacher und auch flexibler einsetzbar. Sie liefern schneller größere Mengen an Daten. So lassen sich zum Beispiel verschiedene Zellmodelle oder verschiedene Parameter parallel bzw. z. T. auch kombiniert untersuchen. Weiterhin erlauben sie zum Teil wichtige Einblicke in zu Grunde liegende Toxizitätsmechanismen und bieten somit in vielerlei Hinsicht Potenzial, die gängige Praxis der Risikobewertung zu verbessern und gleichzeitig grundlegend zu erneuern, was auch durch den Begriff „Risikobewertung der nächsten Generation“ (engl. „Next-Generation Risk Assessment“, NGRA) zum Ausdruck kommt.
RISK-HUNT3R ist ein europäisches Forschungsprojekt mit dem Ziel, einen neuen modularen Rahmen für die tierversuchsfreie Risikobewertung der nächsten Generation (NGRA) zu entwickeln. Im Rahmen des Projekts werden integrierte Ansätze, und innovative, auf Mechanismen basierenden neue In-vitro- und In-silico-Methoden entwickelt, die für die menschliche Gesundheit relevant sind. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung ist als Partner in den Arbeitspaketen Regulation, Modellierung, neuartige Modellsysteme, Hochdurchsatztechnologien und Qualitätsmanagement sowie im wissenschaftlichen und regulatorischen Beirat des Projektes aktiv.
Weitere Informationen auf der BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-Website
- Forschungsprojekte im Bereich Pflanzenschutzmittel Zur Seite
- Projektwebseite von RISK-HUNT3R Externer Link: Zur Seite
Über das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung betreibt eigene Forschung zu Themen, die in
engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.