Unter einem WoEkurz fürWeight of evidence-Ansatz wird international übereinstimmend5 eine systematische, zusammenfassende Betrachtung und Wichtung der durch unterschiedliche Methoden/Ansätze zur Verfügung stehenden Ergebnisse/Daten (Evidenzlinien) zur Beantwortung einer wissen- schaftlichen Frage verstanden. Der Ansatz sollte verfolgt werden, wenn mehrere unabhängige Evidenzquellen vorliegen. Durch den WoEkurz fürWeight of evidence-Ansatz sollen die Abwägungen, die zu einer Schlussfolgerung geführt haben, transparent und nachvollziehbar dargestellt werden.
Bei der wissenschaftlichen Frage kann es sich beispielsweise um eine Hypothese (Ist Stoff X krebserzeugend?) oder ein Schätzproblem (Welcher Anteil der Bevölkerung ist gegenüber Stoff X in einer Größenordnung Y exponiert?) handeln. Unter dem Begriff Evidenz kann jegliche sachdienliche Information zur Beantwortung der Frage angesehen werden, z. B. Daten aus wissenschaftlichen Publikationen oder Untersuchungsprogrammen, die den jeweils zu definierenden Mindestanforderungen an die Verlässlichkeit (Reliabilität) und RelevanzPositiver prädiktiver WertZum Glossareintrag genügen. WoEkurz fürWeight of evidence-Bewertungen des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung orientieren sich an dem Leitliniendokument der EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit). Ziel der WoEkurz fürWeight of evidence-Bewertung ist es, durch eine systematische Erfassung, Bewertung und Integration der vorhan- denen Informationen eine bestimmte wissenschaftliche Frage auf Grundlage der gesamten (auch im Sinne vollständigen) verfügbaren Wissensbasis zu beantworten. Hierbei wird explizit der Evidenzgrad, d. h. die formale und inhaltliche Qualität unterschiedlicher möglicher Antworten, ausgewiesen.
Grundelemente einer WoEkurz fürWeight of evidence-Bewertung sind die drei Arbeitsschritte:
- Zusammenstellung
- Gewichtung, kritische Beurteilung
- Integration der Evidenz
Im ersten Schritt wird die wissenschaftliche Fragestellung präzise definiert. Daraus werden Schlüsselbegriffe abgeleitet und Kriterien festgelegt, auf deren Basis entsprechende Datenquellen recherchiert und ausgewählt werden. Ziel ist hierbei, die vorhandene Wissensbasis möglichst vollständig und unverzerrt abzubilden.[2] Je nach Frage- stellung können sehr unterschiedliche Informationen/Daten berück- sichtigt und sogenannten Evidenzlinien (lines of evidence), wie z. B. In-vivo-, In-vitro-, In-silico- oder epidemiologischen Studien, zugeordnet werden. Innerhalb einer Evidenzlinie können verschiedene individuelle Datenquellen (z. B. Studien) vorliegen.
Der zweite Schritt zielt auf eine Gewichtung der Evidenz der einzelnen Informationsquellen ab. Hierfür sind die Kriterien der Verlässlichkeit (Reliabilität; Sind die Ergebnisse belastbar oder ist die Datenbasis mit starken Einschränkungen behaftet?), RelevanzPositiver prädiktiver WertZum Glossareintrag (Sind die Informationen relevant für die Beantwortung der Frage, und sind die Ergebnisse auf die Rahmensetzung der Frage übertragbar?) und Konsistenz (Sind die Ergebnisse vergleichbar, reproduzierbar und deuten in die gleiche Richtung?) ausschlaggebend. Dabei sind die jeweils angewendeten Kriterien transparent darzustellen. Eine Gewichtung der Evidenz der einzelnen Informationsquellen kann qualitativ oder quantitativ erfolgen.
Im dritten Schritt findet eine Integration der Erkenntnisse aus den einzelnen Informationsquellen unter Berücksichtigung der Gewichtung statt. Wenn möglich, sollte dabei eine identifizierte Verzerrung der Wissensbasis (z. B. Publikationsbias) berücksichtigt werden. Die Integration erfolgt sowohl auf der Ebene der Zusammenstellung der Erkenntnisse innerhalb einer Evidenzlinie als auch in einem weiteren Schritt bei der Integration verschiedener Evidenzlinien. Das Methoden- spektrum für diese Integrationsschritte umfasst wiederum qualitative und quantitative Verfahren. Das jeweils geeignete Verfahren wird im Hinblick auf wissenschaftliche Erwägungen, Standardsetzungen (soweit vorhanden) und verfügbare Bearbeitungszeit ausgewählt.