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Verlust des geistigen Eigentums durch Akteneinsicht?

20/2021, 12.05.2021

Oberlandesgericht Köln weist Klage des BfR in zweiter Instanz ab

Haben staatliche Forschungseinrichtungen geistiges Eigentum an ihren Werken? Erlaubt die Pressefreiheit eine Veröffentlichung ohne Zustimmung des Urhebers? Mit diesen Fragen hat sich das Oberlandesgericht Köln in einem Rechtsstreit des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) beschäftigt. Das BfR hatte Mitte 2019 nach einer nicht gestatteten Internetveröffentlichung einer Stellungnahme zum Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat einen Unterlassungsanspruch nach dem Urheberrechtsgesetz gerichtlich geltend gemacht. In dem Rechtsstreit wies das Gericht die Klage nun am 12.05.2021 ab (Az.: 6 U 146/20). Es stellte fest, dass das BfR zwar zunächst geistiges Eigentum an der Stellungnahme erlangt hatte. Als es Informationszugang in das Dokument gewährte, sei das Urhebernutzungsrecht jedoch erloschen. „Die juristische Bewertung solcher Vorgänge ist für wissenschaftlich tätige Einrichtungen von hoher Bedeutung“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Frühjahr 2019 war im Internet ohne Zustimmung des BfR eine Zusammenfassung des vom BfR erarbeiteten „Addendum I“ zum revidierten Renewal Assessment Report (RAR) zu Glyphosat veröffentlicht worden. Beide Dokumente waren während der wissenschaftlichen Neubewertung von Glyphosat im Jahr 2015 verfasst worden. Das „Addendum I“ sowie sämtliche fachliche Schlussfolgerungen sind seit Herbst 2015 für die Öffentlichkeit frei zugänglich:

Die Zusammenfassung war nach dem Informationsfreiheitsgesetz angefragt und dem Antragsteller zur Verfügung gestellt worden, wobei eine Veröffentlichung nicht gestattet wurde. Auf zahlreiche weitere Anfragen gewährte das BfR im Mai 2019 mit einer Allgemeinverfügung elektronische Akteneinsicht in die Zusammenfassung in Form eines zeitlich begrenzten, passwortgeschützten Lesezugangs. Aufgrund eines bereits seit dem Jahr 2015 anhängigen ähnlich gelagerten Rechtsstreits war entschieden worden, dieses Dokument vorerst nicht zu veröffentlichen, um den Verfahrensausgang nicht zu gefährden.

Der Vorgang zeigt auf, dass das BfR keine Informationen zurückgehalten, sondern Informationszugang ermöglicht hat. Der zuweilen erhobene Vorwurf, das BfR nutze das Urheberrecht missbräuchlich, um Erkenntnisse über den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat geheim zu halten, ist damit widerlegt.

Das Oberlandesgericht Köln kommt zu der Auffassung, die Akteneinsicht im Jahr 2019 stelle eine Veröffentlichung dar, in deren Folge das BfR die weiteren Nutzungsrechte an der Zusammenfassung verloren habe. Das Dokument sei ein sogenanntes „amtliches Werk“ geworden. Darunter fallen nach dem Urheberrechtsgesetz Dokumente, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht werden, die also nach dem Willen der Behörde möglichst umfassend zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten sind. Inwiefern diese Voraussetzungen bei der Zusammenfassung gegeben sein sollen, ist in dem Verfahren umstritten.

Die Arbeit des BfR zeichnet sich durch ihren wissenschaftlichen, forschungsgestützten Ansatz aus, der alle Aufgabenfelder des BfR durchzieht. In der Wissenschaft werden neue Erkenntnisse regelmäßig in Fachzeitschriften veröffentlicht. Diese lassen Publikationen gutachterlich auf wissenschaftliche Korrektheit prüfen und nehmen sie nicht an, wenn die Ergebnisse bereits anderweitig veröffentlicht wurden. Vor diesem Hintergrund ist es von wesentlicher Bedeutung für das BfR, wer das Erstveröffentlichungsrecht und die weiteren Nutzungsrechte an seinen geistigen Werken hat.

Gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen worden. Das BfR prüft wegen der grundsätzlichen Bedeutung eine Nichtzulassungsbeschwerde.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

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