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Antibiotikaresistenzen: Erfolge interdisziplinärer Anstrengungen

15/2017, 26.04.2017

Forschungsverbünde RESET und MedVet-Staph präsentieren Ergebnisse aus sieben Jahren Forschung zur Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen bei Mensch und Tier

Da antibiotikaresistente Bakterien zwischen Mensch und Tier übertragen werden können, muss die Forschung zur Antibiotikaresistenz insbesondere die Mechanismen bei der Verbreitung der Bakterien und der Resistenzgene untersuchen. Das ist ein Ergebnis, das auf dem Abschluss-Symposium der Forschungsprojekte RESET und MedVet-Staph vom 26. - 28. April 2017 am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) präsentiert wird. „Antibiotikaresistente Bakterien stellen eine komplexe Herausforderung dar. Deshalb setzt sich Deutschland mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART2020 nachhaltig dafür ein, die Gesundheit von Mensch und Tier zu schützen“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Im Sinne der One-Health-Strategie ist dazu interdisziplinäre Forschung durch Veterinär- und Humanmediziner sowie Molekularbiologen und Epidemiologen notwendig, wie die Verbundprojekte RESET und MedVet-Staph erfolgreich zeigen.“ In diesen Forschungsverbünden werden seit 2010 die Entwicklung, Verbreitung und auch die Mechanismen der Resistenz gegenüber bestimmten Antibiotika bei Escherichia coli und Staphylococcus aureus bei Mensch und Tier untersucht. An den Verbundprojekten sind neben dem BfR zahlreiche Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen in Deutschland beteiligt.

Im Verbund RESET werden Resistenzen gegen die besonders wichtigen Antibiotika-Klassen der Cephalosporine und (Fluor)Chinolone bei Darmbakterien wie Escherichia (E.) coli erforscht.

Einige Stämme dieser Bakterien können Cephalosporine zerstören. Sie benutzen dazu Enzyme, die als „Extended-Spektrum Beta-Laktamasen“ (ESBL) und AmpC Beta-Laktamasen (AmpC) bezeichnet werden. Diese Fähigkeit können die Stämme an andere Bakterien weitergeben. Untersuchungen im RESET-Verbund haben ergeben, dass ESBL- bzw. AmpC-produzierende E. coli in Nutztierbeständen weit verbreitet sind. In allen untersuchten Betrieben mit Geflügelhaltung wurden diese Bakterien nachgewiesen. In 85 % der untersuchten Schweinemast- und Milchviehbetriebe und in 70 % der Rindermastbetriebe treten sie ebenfalls auf. Erstmalig wurden auch E. coli und Salmonella bei Nutztieren in Deutschland gefunden, die zusätzlich Carbapeneme zerstören können. Diese Antibiotika werden in Krankenhäusern eingesetzt, um Infektionen mit multiresistenten Bakterien zu behandeln.

Nicht immer ist die Gabe von Antibiotika verantwortlich für das Auftreten resistenter Bakterien. ESBL- bzw. AmpC-bildende E. coli treten auch in Tiergruppen (insbesondere in Masthähnchen) auf, die nicht mit Antibiotika in Kontakt gekommen sind. Entlang der Produktionskette können die Bakterien und Resistenzgene verschleppt und in der Küche auf andere Lebensmittel übertragen werden.

ESBL-E. coli konnten im Rahmen von Studien bei 6,3 % der gesunden Allgemeinbevölkerung und ähnlich häufig bei Landwirten mit Schweinehaltung festgestellt werden. In Krankenhäusern nahm der Anteil der ESBL-positiven E. coli und Klebsiellen an allen im Krankenhaus erworbenen Infektionen mit diesen Enterobakterien in Deutschland zwischen 2007 und 2012 von 11,9 % auf 15,4 % zu.

Insgesamt zeigten die molekularbiologischen Untersuchungen, dass verschiedene ESBL-bildende Bakterien die Fähigkeit besitzen, sich zwischen Menschen, Tieren und deren Umwelt auszutauschen. Offenbar erfolgt die Übertragung der Bakterien mit ihren Resistenzeigenschaften relativ selten. Allerdings können die Resistenzgene zwischen verschiedenen Bakterien ausgetauscht werden, was ihre Nachverfolgung schwieriger macht. Es ist daher derzeit nicht möglich, die Bedeutung der Nutztiere für die Besiedelung und Infektion des Menschen mit ESBL- bzw. AmpC-bildenden Enterobakterien genau abzuschätzen.

RESET-Koordinator Professor Dr. Lothar Kreienbrock an der Tierärztlichen Hochschule Hannover sagt: „Unsere neu geschaffene gemeinsame Datenbank ermöglicht es, sowohl die Daten zur Herkunft der Proben von Mensch, Tier, Lebensmittel und Umwelt als auch die zu den Eigenschaften der Bakterienstämme übergreifend zu analysieren. So ist es z. B. auf Grundlage dieser gemeinsamen Stamm- und Datensammlung erstmals gelungen, das übertragbare Colistinresistenzgen (mcr - 1) in E. coli aus deutschen Nutztierbeständen nachzuweisen.“ Diese gemeinsam mit der Zoonoseplattform und der TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. entwickelten Möglichkeiten gelte es daher im Sinne der One-Health-Strategie weiter auszubauen und zu verstetigen.

Der Verbund MedVet-Staph widmet sich der Bedeutung der Übertragung antibiotikaresistenter Staphylokokken einschließlich der Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA) zwischen Tier und Mensch. MRSA besiedeln in Deutschland etwa 0,8 % der gesunden Menschen in der Allgemeinbevölkerung (zumeist im Bereich der Nase oder des Rachens). Nutztierassoziierte MRSA-Typen lassen sich dabei durch die Untersuchung des genetischen Fingerabdrucks von MRSA unterscheiden, die zum Beispiel bei im Krankenhaus erworbenen Infektionen beschrieben werden. Der Koordinator des Verbundes PD Dr. med. Robin Köck von der Universität Münster sagt: „Die Ergebnisse des MedVet-Staph-Verbundes haben verdeutlicht, dass der Übertragungsweg zwischen Tier und Mensch unbedingt bedacht werden muss, wenn man die Verbreitung von MRSA verstehen will. Wir haben gezeigt, dass besonders der unmittelbare Kontakt zu MRSA-tragenden Nutztieren, wie er bei Landwirten oder Tierärzten besteht, ein hohes Risiko für die Übertragungen darstellt. In der Schweinehaltung tragen mehr als 80 % der Landwirte den Keim.“

Nicht nur bei Nutztieren, sondern auch bei Pferden, Hunden und Katzen treten MRSA zunehmend als Erreger von Wundinfektionen auf. Die bei diesen Tieren nachgewiesenen MRSA unterscheiden sich aber von denen bei Nutztieren.

Im Rahmen des Projektes wurden nicht nur MRSA bei Nutztieren und Landwirten nachgewiesen, sondern auch andere Bakterien, wie z. B. Enterokokken und Koagulase-negative Staphylokokken, die gegenüber Substanzen, wie z. B. Linezolid oder Daptomycin, resistent sind und in der Humanmedizin als Reserveantibiotika verwendet werden. Weitere Forschungsarbeiten zum Vorkommen antibiotikaresistenter Bakterien bei Nutztieren und in Lebensmitteln, aber auch bei Haustieren und in der Umwelt sind deshalb notwendig.

In dem Forschungsverbund MedVet-Staph wurde auch geprüft, in welchem Umfang tierassoziierte MRSA beim Menschen zu Erkrankungen führen. Die Häufigkeit nutztierassoziierter MRSA-Klone hat in Deutschland insgesamt zugenommen. Dabei bestehen deutliche regionale Unterschiede: In einzelnen Regionen mit intensiver Nutztierhaltung (z. B. im Norden Nordrhein-Westfalens) sind diese Bakterien für mehr als 10 % der schweren MRSA-Infektionen bei Menschen verantwortlich.

Allerdings können nicht alle Nachweise beim Menschen auf den direkten Kontakt mit positiven Tieren zurückgeführt werden. Der Verbund MedVet-Staph wies nach, dass in ländlichen Regionen 38 % der Menschen, die mit nutztierassoziierten MRSA-Typen besiedelt waren, keinen direkten Kontakt zu Nutztieren hatten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bakterien auch über andere Wege (z. B. von Mensch zu Mensch) weitergegeben werden. Nach Forschungsergebnissen des BfR und aus Dänemark gibt es Ähnlichkeiten zwischen MRSA aus Geflügelfleisch, insbesondere Putenfleisch, und Bakterienisolaten von Menschen. Das legt nahe, dass nutztierassoziierte MRSA in einzelnen Fällen auch über Lebensmittel auf Menschen übertragen werden können. Am BfR wurden dazu experimentelle Studien mit Hähnchenfleisch durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass ausgehend von kontaminierten Lebensmitteln während der Verarbeitung und Zubereitung in der heimischen Küche eine Verschleppung von MRSA und ESBL-bildenden E. coli auf andere Speisen, die dann vom Menschen ohne weitere Erhitzung verzehrt werden, stattfinden kann. Allerdings scheint die Bedeutung dieses Übertragungsweges vergleichsweise gering zu sein.

Die Forschungsverbünde RESET und MedVet-Staph werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und bestehen jeweils aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Human- und Tiermedizin, der Grundlagen- und der angewandten Forschung.

Weitere Informationen zu RESET und MedVet-Staph unter

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

In diesem Jahr feiert das BfR sein 15-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hat das BfR eine Jubiläumsbroschüre herausgegeben, die unter http://www.bfr.bund.de/de/publikation/broschueren-660.html kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden kann.

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