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Verbraucherkonferenz Nanotechnologie

B/2006, 18.11.2006

Hintergrundinformation für Journalisten

Die „Verbraucherkonferenz zur Wahrnehmung der Nanotechnologie in den Bereichen Lebensmittel, Kosmetika und Textilien“ wurde als Modellprojekt vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) initiiert und wird gemeinsam mit dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) sowie dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) durchgeführt. Verbraucherkonferenzen sollen als eines der möglichen Instrumente einer erweiterten Risikokommunikation erprobt werden. Es ist in Deutschland das erste Mal, dass eine öffentliche Institution oder Behörde dieses Instrument der Risikokommunikation einsetzt.

Risikokommunikation ist ein gesetzlicher Auftrag des BfR. Sie soll über den Stand der wissenschaftlichen Forschung und das Wissen zu gesundheitlichen Risiken entsprechend der Aufgabenstellung des BfR in den Bereichen Lebensmittel, Futtermittel, Bedarfsgegenstände und Produkte sowie Chemikalien informieren. Durch die Risikokommunikation des BfR sollen zum einen die auf dem Gebiet der Risikobewertung tätigen Wissenschaftler vernetzt werden und zugleich der Informationsaustausch auf der Fachebene gefördert werden. Weiterhin geht es darum zu ermitteln, wie die Bevölkerung bzw. betroffene Gruppen gesundheitliche Risiken wahrnehmen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in Strategien zur Bewertung von Risiken ein. Grundlage der Risikokommunikationsaktivitäten des BfR ist der partizipative Dialog zwischen Risikobewertern, -managern und Stakeholdern, zu denen die Interessensvertreter der Verbraucher, Wissenschaftler, Verbände, Politiker und Industrie sowie andere gesellschaftliche Gruppen gezählt werden. Die Durchführung einer Verbraucherkonferenz setzt diesen Auftrag in die Praxis um, indem Verbraucher bereits im Vorfeld einer breiten verbrauchernahen Anwendung direkt in die Diskussion der Chancen und Risiken der Nanotechnologie einbezogen werden.

Verbraucherkonferenzen: Ein Instrument, Bürger direkt an den Diskussionen zu einer verbraucherrelevanten und strittigen Thematik zu beteiligen

Die Verbraucherkonferenz lehnt sich an das Modell der Konsensus-Konferenz an. Dieses Instrument wurde in Dänemark entwickelt und eingesetzt. Gegenstand und Ziel dieses Verfahrens der Bürgerbeteiligung ist es, neue Technologien und wissenschaftliche Entwicklungen aus der Sicht informierter Laien (Bürger bzw. Verbraucher) zu bewerten. In Anlehnung an dieses Modell fanden bisher in Deutschland drei überregionale bzw. bundesweite Konferenzen zu den Bereichen Gendiagnostik, Stammzellforschung und Hirnforschung statt. Charakteristisch für solche Konferenzen ist der strukturierte öffentliche Dialog zwischen Sachverständigen und Laien. Die Laien erörtern das zur Diskussion stehende Thema eingehend mit den geladenen Experten. In einer fairen und offenen Diskussion soll eine konstruktive Argumentationskultur geschaffen werden, innerhalb derer eine strukturierte und wissensbasierte Meinungsbildung möglich wird. Ziel des mehrwöchigen Meinungsbildungs- und Bewertungsprozesses ist die Offenlegung der unterschiedlichen Sichtweisen, Einschätzungen und Erwartungen innerhalb der Verbrauchergruppe sowie die Formulierung der Übereinstimmungen oder Abweichungen in einem abschließenden, selbstständig verfassten Votum.

Wie wirksam Bürgerkonferenzen sind, hängt davon ab, ob und wie sie in politische oder gesellschaftliche Prozesse eingebunden sind. Die Wirkung kann daher stark variieren. Die Erfahrung insbesondere der nordischen Länder zeigt: Bürgerkonferenzen schaffen ein Gegengewicht zur Expertokratie (Herrschaftswissen von Fachwissenschaftlern und Juristen) und stärken die Rolle von Laien in der Gesellschaft. Die Erfahrungen zeigen, dass Bürger immer dann schlüssige und gut durchdachte Empfehlungen zu komplexen Problemen in Wissenschaft und Technik abgeben können, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, sich mit den in verständlicher Sprache dargelegten relevanten Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Außerdem bieten Bürgerkonferenzen die Möglichkeit, Themen, die für die gesamte Gesellschaft bedeutend sind, bisher aber nur in Fachkreisen diskutiert werden, zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte zu machen.

Nanotechnologie - Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts

Zum Wesen einer Schlüsseltechnologie gehört, dass sie in vielen, auch für den Bürger bzw. Verbraucher relevanten Bereichen angewandt wird. Das Thema Nanotechnologie ist für das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) insbesondere im Kontext des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wichtig, weil auf Basis der Nanotechnologie hergestellte neue Materialien zunehmend in Verbraucherprodukten wie kosmetischen Mitteln, Bekleidungstextilien, Haushaltsprodukten und künftig auch in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden. Dies gilt innerhalb der Nanotechnologie vor allem für den Bereich Nanopartikel und nanoskalige Schichten. Es geht darum herauszufinden, welche potenziellen Chancen und Risiken in der verbrauchernahen Anwendung dieser Technologien stecken und inwieweit der Verbraucher bereit ist, diese Risiken vor dem Hintergrund des Nutzens zu akzeptieren. Die Forschung zur Wahrnehmung dieser Technologien durch Verbraucher steht noch ganz am Anfang. In der Verbraucherkonferenz soll erstmals von der Seite der behördlichen Risikobewertung die Wahrnehmung der Risiken durch Verbraucher zur Nanotechnologie erfragt und - soweit möglich - in die Risikokommunikation einbezogen werden. Vorrangig geht es dabei um:

  • den Abbau von Informationsdefiziten und differenzierte Meinungsbildung zur Nanotechnologie bei Verbraucherinnen und Verbrauchern,

  • die Erstellung eines qualifizierten Verbrauchervotums zu Anwendungen der Nanotechnologie in den Bereichen Lebensmittel, Kosmetika und Textilien,

  • das öffentliche Überreichen des Verbrauchervotums an die Entscheidungsträger in Verbraucherschutz, Politik, Wissenschaft und Industrie.

Durch die Erfassung einer faktenbasierten Meinung von Verbrauchern soll ermittelt werden, welche Anforderungen diese Seite an eine „nachhaltige“ Nanotechnologie stellt. Es geht hierbei auch um die Frage, wie man künftig mit Nanotechnologie umgehen sollte. Das Votum der Konsumenten gibt damit sowohl Produzenten als auch den Entscheidungsträgern aus Politik und behördlichem Verbraucherschutz Orientierung für den Umgang mit der Nanotechnologie. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich die Öffentlichkeit einen breit gefächerten und realistischen Einblick in die Chancen und die Risiken der Nanotechnologie verschafft.

Der Aufbau der Verbraucherkonferenz

Die Verbraucherkonferenz zur Nanotechnologie gliedert sich in drei Phasen: Während der zwei Vorbereitungswochenenden (9./10. September 2006 und 14./15. Oktober 2006) wurde die Verbrauchergruppe in das Thema eingeführt. Sie erarbeitete inhaltliche Fragen zur Nanotechnologie und wählte die Sachverständigen aus, die am Abschlusswochenende von ihr öffentlich befragt wurden. Dieser Prozess wurde von den Verbrauchern weitgehend selbst bestimmt. Sie informierten sich in der Breite und Tiefe, die sie für notwendig und ausreichend erachteten. Die dritte Phase bildet die jetzt stattfindende dreitägige Abschlusskonferenz in Berlin. In einer öffentlichen Anhörung in der Katholischen Akademie am 18. und 19. November 2006 stellen sich die geladenen Sachverständigen den Fragen der Verbrauchergruppe. Anschließend zieht sich die Bürgergruppe zu einer geschlossenen Beratung zurück, um ihr Verbrauchervotum zur Nanotechnologie zu verfassen. Der Öffentlichkeit wird das Votum am 20. November 2006 im Bundespresseamt vorgestellt und an die Vertreter von Behörden, Politik und Wirtschaft übergeben.

Auswahl der Teilnehmer

Die teilnehmenden Verbraucherinnen und Verbraucher sind nach einem Zufallsverfahren ausgewählt worden. Analog zu bereits durchgeführten Bürgerkonferenzen wurden knapp 6000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus dem Raum Berlin/Brandenburg mit einer persönlichen Einladung angeschrieben. Dabei lieferten acht Einwohnermeldeämter aus Brandenburger Städten je 250 Adressen; weiterhin wurden acht per Losverfahren ausgewählte Brandenburger Gemeinden angeschrieben und ebenfalls um je 250 Adressen gebeten; Berlin wurde mit acht Bezirken und je 250 Adressen berücksichtigt. Hintergrund dieser Auswahl war die Überlegung, zu gleichen Teilen ländliche sowie groß- und kleinstädtische Bevölkerungsteile anzusprechen, um so eine möglichst heterogene Zusammensetzung der in die Konferenz berufenen Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten.

Insgesamt 41 Personen äußerten ihr Interesse, an der Verbraucherkonferenz teilzunehmen. Aus diesen Rückantworten wurden am 29. Juni 2006 die 16 Teilnehmer der „Verbraucherkonferenz: Nanotechnologie“ ausgelost. Die Verbrauchergruppe setzt sich aus sieben Frauen und neun Männern im Alter von 20 bis 72 Jahren zusammen.

Die „Verbraucherkonferenz: Nanotechnologie“ wird vom einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Der Beirat ist unabhängig und steht den Organisatoren des Projektes beratend in Vorbereitung und Durchführung von inhaltlichen wie methodischen Fragen zur Seite.

Für den Beirat wurden vier Wissenschaftler gewonnen, die sowohl über umfassende Kenntnisse der Diskurse zu Nanotechnologie verfügen als auch ausgewiesene Experten auf dem Gebiet des Risikomanagements und der Risikokommunikation sind. Es handelt sich um:

  • Prof. Dr. Arnim von Gleich, Fachgebiet Technikgestaltung und Technologieentwicklung, Universität Bremen,

  • Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruhe,

  • Prof. Dr. Harald Heinrichs, Junior Professor am Institut für Umweltkommunikation, Universität Lüneburg,

  • Dr. Hans Kastenholz, Abteilung Technologie und Gesellschaft, EMPA, St. Gallen (Schweiz).

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