Aktualisierte FAQ des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung vom 22. Juni 2022
Überwachungsbehörden der Länder haben in verschiedenen Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten wie Sesamsamen, Gewürzen und Lebensmittelzusatzstoffen Rückstände von Ethylenoxid und dessen Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol nachgewiesen. Der Einsatz von Ethylenoxid ist in der Lebensmittelproduktion verboten, weil der Stoff erbgutverändernd und krebsauslösend wirken kann. Das Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol wurde einer vorläufigen Risikobewertung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) unterzogen und im Ergebnis, aufgrund großer Datenlücken, ein zu Ethylenoxid vergleichbares Risiko angenommen. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung hat Fragen und Antworten zu möglichen Gesundheitsrisiken von Ethylenoxid- und 2-Chlorethanolrückständen in Lebensmitteln erarbeitet.
[Accordion] Gesundheitsrisiko von Ethylenoxid in Lebensmitteln
Ethylenoxid (kurz EtO oder EO) ist ein farbloses, hochentzündliches, sehr reaktives Gas mit süßlichem Geruch, das Bakterien, Viren und Pilze abtötet. Es wird in der Umwelt und in Nutzpflanzen unter anderem zu 2-Chlorethanol umgewandelt. Da die Umwandlung von Ethylenoxid zu 2-Chlorethanol relativ schnell erfolgt, wird in Pflanzen und daraus gewonnenen Lebensmitteln meist nur das Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol nachgewiesen. 2-Chlorethanol wiederum ist eine farblose Flüssigkeit mit einem schwach süßlichen Geruch.
Bei der gesundheitlichen Bewertung der Ethylenoxid- und 2-Chlorethanolgehalte in Sesamsamen hat das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung das von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)) für erbgutverändernde und krebserzeugende Stoffe empfohlene „large assessment factor“-Verfahren angewandt. Das Verfahren dient bei unerwünscht auftretenden Stoffen der Abschätzung der Schwere eines möglichen gesundheitlichen Risikos für das Risikomanagement. Dabei wird ermittelt, wie groß bei einem potentiell erbgutverändernden und krebsauslösenden Stoff die „Aufnahmemenge geringer Besorgnis“, bezogen auf einen Tag und ein Kilogramm Körpergewicht, ist. Bei dieser täglichen Aufnahmemenge (ExpositionExpositionZum Glossareintrag) wäre übertragen auf den Menschen bei einem von 100.000 Menschen die Möglichkeit gegeben, zusätzlich an Krebs zu erkranken. In seiner Risikobewertung hat das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung für Ethylenoxid und das Abbauprodukt 2-Chlorethanol eine Aufnahmemenge geringer Besorgnis von täglich 0,037 µgkurz fürMikrogramm je Kilogramm Körpergewicht berechnet.
Beispiel zur Veranschaulichung: Das vollbesetzte Stadion Camp Nou des FC Barcelona fasst 100.000 Zuschauer. Von diesen 100.000 Personen werden ca. 25 % - also 25.000 Menschen - im Laufe Ihres Lebens an Krebs erkranken. Das ist die unter den heutigen Lebensbedingungen erwartete Krebsrate. Oben genannter Ansatz berechnet unter der Annahme einer lebenslangen Aufnahme einer krebserzeugenden Substanz (wie in diesem Fall Ethylenoxid) die Dosis, bei der eine Person zusätzlich potenziell an Krebs erkrankt. Es würden dann also nicht 25 000, sondern 25 001 von den 100 000 im Laufe Ihres Lebens an Krebs erkranken, wenn jede dieser 100 000 Personen täglich 0,037 µgkurz fürMikrogramm Ethylenoxid ihr Leben lang aufnimmt.
Die Aufnahmemenge geringer Besorgnis ist kein Maß für die Lebensmittelsicherheit. Sie ist auch kein Maßstab der Überwachungsbehörden für die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit einzelner Lebensmittel. Die Aufnahmemenge geringer Besorgnis ist vielmehr ein Orientierungswert für die Behörden des Risikomanagements, wie dringlich Maßnahmen zur Verringerung des gesundheitlichen Risikos sind, das von einem erbgutverändernden und krebserzeugenden Stoff in einem Lebensmittel ausgeht. Die Aufnahmemenge geringer Besorgnis von 0,037 µgkurz fürMikrogramm je Kilogramm Körpergewicht ist somit kein toxikologischer Grenzwert, unterhalb dessen gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind.
Folgt man dem für erbgutverändernde und krebserzeugende Stoffe gültigen ALARA-Prinzip („as low as reasonably achievable“, auf Deutsch in etwa: „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“), dann sind Einträge von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol in Lebensmittel grundsätzlich zu vermeiden.
Die Analytik zum Nachweis von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol in Lebensmitteln ist seit längerem vorhanden und wird kontinuierlich verbessert. Die Lebensmittelunternehmer sind dafür verantwortlich, dass die Produkte den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Sie haben dies, wenn nötig, auch durch eigene Untersuchungen zu überwachen und sicherzustellen. Dieses Prinzip gilt entlang der gesamten Produktions- und Vertriebskette bis zum Einzelhandel. Die Überwachungsbehörden der Länder überprüfen in Stichproben, ob die Marktteilnehmer ihrer Verpflichtung nachkommen. Wird in einer Probe eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstgehalte festgestellt, wird das konkrete Produkt beanstandet. Es erfolgen anlassbezogen weitere Untersuchungen in den entsprechenden Warengruppen, um festzustellen, ob es sich bei der Überschreitung um einen Einzelfall oder um ein systematisches Phänomen handelt. Auch in der Vergangenheit kam es dabei zu Funden von Ethylenoxid und der Beanstandung von Lebensmitteln. Die Gründe für ein gehäuftes Auftreten solcher Positivbefunde sind vielfältig. Ursachen können z. B. Änderungen der Produktionsbedingungen oder auch eine verstärkte Beprobung sein.
Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema …
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMELkurz fürBundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.