FAQ vom 13. Juli 2020
Wer zukünftig im Hochsommer ein Bad im Meer nimmt, muss womöglich verstärkt aufpassen. Bakterien der Gattung Vibrio vermehren sich bei hohen Wassertemperaturen und können über kleine, unbemerkte Wunden in den menschlichen Körper eindringen. Dort können sie Wundinfektionen verursachen. Einen weiteren Weg finden sie über Fisch und Meeresfrüchte, die roh oder nicht ausreichend erhitzt gegessen werden. Eine Infektion mit Vibrionen kann eine Durchfallerkrankung zur Folge haben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Zahl der Vibrio-Infektionen zunehmen wird. Grund dafür ist der Klimawandel und die damit verbundene Erwärmung der Meere.
[Accordion] Fragen und Antworten zu Vibrionen
Vibrionen sind stäbchenförmige, salztolerante Bakterien, die in Meeresgewässern und Flussmündungen (Brackwasser, Bodden/Lagunen) weltweit verbreitet sind. Gewässer mit Süßwasser sind in der Regel nicht betroffen. In vielen Ländern Asiens und Amerikas sind Vibrionen die Hauptursache für bakterielle Durchfallerkrankungen.
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich durch den Verzehr kontaminierter Meeresfrüchte (vor allem bei Rohverzehr von Austern bzw. dem Verzehr nicht ausreichend erhitzter Meeresfrüchte und Fischprodukte) oder durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser infizieren. Die meisten lebensmittelbedingten Vibrio-Infektionen werden durch die drei Spezies Vibrio parahaemolyticus, Vibrio cholerae und Vibrio vulnificus verursacht. Neben den Erkrankungen durch Lebensmittel können viele Vibrionen auch Wund- und Ohrinfektionen auslösen, die durch Kontakt mit Vibrionen-haltigem Wasser ausgelöst werden. Ein solcher Keim ist Vibrio vulnificus, der lebensgefährliche Blutvergiftungen (Sepsis) bei abwehrgeschwächten, meist älteren Personen hervorrufen kann. Solche Infektionen können bei sehr langen Hitzeperioden nach dem Baden im Meer oder dem Wandern im Meerwasser (Spülsaum) auftreten.
Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung beschäftigt sich mit Risiken, die von Mikroorganismen in Lebensmitteln und auf Bedarfsgegenständen ausgehen. Für Vibrionen als Auslöser von Humanerkrankungen und deren Therapie ist das Robert-Koch-Institut (RKI) zuständig. Informationen dazu gibt es auf der RKI-Website: Externer Link:https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vibrionen/FAQ-Liste.html.
In Deutschland besteht seit dem Jahr 2020 eine Meldepflicht für Vibrio-Infektionen. Die Gesundheitsämter müssen Infektionen über die Landesbehörden an das RKI melden. Allerdings treten Infektionen mit Vibrionen vermutlich selten auf. Dem RKI wurden laut eigenen Angaben jährlich bis zu 20 Fälle an deutschen Küsten zwischen den Jahren 2002 und 2019 bekannt. Sie traten vor allem zwischen den Monaten Juni und September in heißen Sommern auf. Betroffen waren hauptsächlich ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Einige Patienten starben nach RKI-Angaben an der Infektion.
Menschen mit offenen oder schlecht heilenden Wunden sollten sommerwarmes Meerwasser (ab 20 Grad Wassertemperatur) meiden. Dies gilt umso mehr, wenn sie an Vorerkrankungen oder an einem geschwächten Immunsystem leiden. Mikrobielle Risiken in Badegewässern liegen im Zuständigkeitsbereich des Umweltbundesamtes (UBAkurz fürUmweltbundesamt) und der dort angesiedelten Badewasserkommission. Weitere Informationen erteilt das UBAkurz fürUmweltbundesamt im Internet:
Ansprechpartner für Vibrio-Belastungen in deutschen Gewässern (insbesondere Badestrände) sind folgende Länderbehörden:
- Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern: Externer Link:https://www.lagus.mv-regierung.de/Gesundheit/InfektionsschutzPraevention/
- Landesgesundheitsamt Niedersachsen: Externer Link:https://www.nlga.niedersachsen.de/startseite/infektionsschutz/krankheitserreger_krankheiten/vibrio_vulnificus/vibrio-vulnificus-19317.html
- Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Schleswig-Holstein: Externer Link:https://www.schleswig-holstein.de/DE/Themen/B/badegewaesser.html
Es gibt nach Kenntnis des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung keine käuflichen Schnelltests für Vibrionen. Laboratorien können Vibrionen nachweisen, jedoch müssen die Bakterien-Proben zunächst kultiviert werden und können erst dann mit Verfahren wie der Massenspektrometrie oder PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) identifiziert werden. Hinzu kommt, dass Vibrionen eine große Bakteriengruppe mit vielen Arten darstellen, die natürliche Bewohner von marinen Ökosystemen sind. Ein allgemeiner Schnelltest auf Vibrionen wäre daher nicht sinnvoll.
Die Vibrio-Spezies, die in den meisten Fällen für Infektionen durch Meerwasser verantwortlich ist, ist Vibrio vulnificus. Für diese Bakterienspezies gibt es nach gegenwärtiger Kenntnis des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung keinen einfachen Test.
Die globale Erwärmung und die damit verbundenen erhöhten Temperaturen des Meerwassers lassen erwarten, dass es weltweit zu einer Zunahme von Vibrio-Infektionen kommen könnte. Dies betrifft besonders das Oberflächenwasser sowie das Meerwasser in Küstennähe. Für den Fischfang, der in tieferen Wasserschichten auf der offenen See erfolgt, werden die Folgen wahrscheinlich weniger stark sein. Die gefangenen Fische und Fischereiprodukte werden in der Regel nicht roh verzehrt, sondern erhitzt oder verarbeitet. Die Sicherheit dieser Lebensmittel hinsichtlich Vibrionen muss daher nicht neu bewertet werden. Dies gilt jedoch nicht für Meeresfrüchte, die roh verzehrt werden, beispielsweise Austern. Austern gelten als Risiko-Lebensmittel und werden weltweit häufig mit Durchfallerkrankungen durch Vibrionen in Verbindung gebracht.
Anders zu betrachten ist die Risikobewertung für Infektionen, die sich aufgrund direkter ExpositionExpositionZum Glossareintrag von Menschen mit Vibrionen-haltigem Meerwasser entwickeln. Beim Schwimmen oder Spazieren bzw. Waten am Spülsaum können Vibrionen über kleine, unbemerkte Hautverletzungen aufgenommen werden. Die Klimaerwärmung mit den einhergehenden erhöhten Wassertemperaturen wird möglicherweise zu einer erhöhten Vibrionen-Konzentration führen und dadurch eine Zunahme von Infektionen wahrscheinlicher machen. Die Überwachung der Badestrände liegt in der Verantwortung der lokalen Behörden.
Zum BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung gehört das „Konsiliarlabor für Vibrio spp. in Lebensmitteln“. Es hat die Aufgabe, Methoden zum Nachweis von Vibrionen in Meeresfrüchten und Fischereiprodukten für die amtliche Überwachung zu entwickeln sowie die Untersuchungslabore beim Nachweis dieser Bakterien zu beraten und zu unterstützen. Weiterhin forscht das Konsiliarlabor in Kooperation mit anderen Institutionen oder Forschungseinrichtungen zum Vorkommen von Vibrionen in der Umwelt und in Lebensmitteln.
VibrioNet ist ein internationaler Verbund von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und wurde gegründet, um die Biologie dieser Bakterien zu studieren und mögliche Risiken zu erforschen. Der Forschungsverbund VibrioNet wurde vom BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung initiiert, das die Forschungsaktivitäten mehrerer deutscher Labore während einer Förderphase durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung koordinierte. Im Jahre 2015 schlossen sich weitere internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem VibrioNet-Verbund an, so dass eine wissenschaftliche „Vibrio-Community“ entstanden ist.