Umleitungen
Darum geht es:
Wer bei hochsommerlichen Temperaturen ein Bad im Meer, aber auch in Flüssen oder Seen nimmt, muss künftig womöglich verstärkt aufpassen: Denn Bakterien der Gattung Vibrio vermehren sich bei hohen Wassertemperaturen schneller. Sie können über kleine, unbemerkte Wunden aus dem Wasser in den menschlichen Körper eindringen und dort zum Teil lebensgefährliche Wundinfektionen verursachen.
Einen weiteren Weg zum Menschen finden Vibrionen über Fisch und andere Meerestiere, die roh oder nicht ausreichend erhitzt gegessen werden. Eine lebensmittelbedingte Infektion mit Vibrionen kann eine Durchfallerkrankung auslösen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Zahl der Vibrio-Infektionen weltweit zunehmen wird, da sich die Meere und Seen weiter erwärmen.
Fragen und Antworten zu Vibrionen
Vibrionen sind stäbchenförmige, meist salztolerante Bakterien, die weltweit in Salz- und Süßwasserreservoiren wie Meeresgewässern, Flussmündungen, Brackwasser, Bodden/Lagunen, aber auch in Binnenseen vorkommen. Salzgehalte von 0,5-2,5 % und Temperaturen von mehr als 20 °Ckurz fürGrad Celsius fördern eine starke Vermehrung dieser natürlich vorkommenden, mit dem Wasser übertragenen Umweltbakterien.
Hohe Keimzahlen dieser Bakterien, etwa im Wasser oder in wasserbezogenen Lebensmittelprodukten, steigern das Risiko für Menschen, sich zu infizieren. Besonders in asiatischen und amerikanischen Ländern sind Vibrionen aufgrund der klimatischen Bedingungen eine bedeutende Ursache für Wund- und Durchfallerkrankungen. Aber auch in Europa steigt das Risiko durch diese Erreger mit dem fortschreitenden Klimawandel kontinuierlich.
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich durch den Verzehr von kontaminierten Meerestieren (insbesondere rohe Austern) beziehungsweise durch eine unzureichende Erhitzung von Meeresfrüchten und Fischprodukten (z. B. Muscheln/Krebstiere) mit Vibrionen infizieren. Als Infektionsquelle für den Menschen gilt auch der Kontakt mit oder die Aufnahme von kontaminiertem Wasser selbst, zum Beispiel beim Schwimmen oder Spazieren beziehungsweise Waten am Spülsaum.
Die meisten lebensmittelbedingten Vibrio-Infektionen treten im Zusammenhang mit V. parahaemolyticus, V. vulnificus und V. cholerae auf. Darüber hinaus sind Fallberichte mit verschiedenen anderen Vibrio-Spezies (V. alginolyticus, V. fluvialis etc.) beschrieben, die als Ursache für Wund- oder Durchfallerkrankungen nachgewiesen wurden. Während V. parahaemolyticus eher Durchfallerkrankungen mit milden bis moderaten Krankheitsverläufen verursacht, können Infektionen mit V. cholerae auch schwerwiegendere Verläufe aufzeigen. Besonders Infektionen mit V. vulnificus können bei Menschen mit abgeschwächtem Immunsystem zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung (Sepsis) führen.
Vibrio-Erkrankungen können mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einhergehen, aber auch Wundinfektionen mit Septikämien (Blutvergiftungen) durch Verletzungen bei der Zubereitung von Schalen- oder Krebstieren sind möglich.
Informationen zu von Vibrionen verursachten Erkrankungen beim Menschen und zur Behandlung finden sich auf folgender Website des Robert Koch-Instituts (RKI): Externer Link:https://www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/Vibrionen/FAQ-Liste.html#.
Menschen mit offenen oder schlecht heilenden Wunden sollten sommerwarmes Meerwasser (ab 20 °Ckurz fürGrad Celsius Wassertemperatur) meiden. Dies gilt umso mehr, wenn sie an Vorerkrankungen leiden oder ein geschwächtes Immunsystem haben.
In Deutschland treten jedes Jahr einige Fälle von Infektionen mit Vibrionen auf, hauptsächlich in Zusammenhang mit Badeaufenthalten an Nord- und Ostsee. Allerdings sind Vibrionen-Infektionen insgesamt bisher selten. Insbesondere Vibrio-bedingte Durchfallerkrankungen werden häufig nicht erfasst, da die Infektionen meist mild bis moderat verlaufen und von selbst vorübergehen.
Seit dem Jahr 2020 besteht in Deutschland eine Meldepflicht für Vibrio-Infektionen. Die Gesundheitsämter der Bundesländer müssen diese über die Landesbehörden dem Robert Koch-Institut (RKI) bekannt geben.
In den Meldedaten des RKI liegen vor allem Fälle von Wundinfektionen vor, die fast ausschließlich auf Wasserkontakte in deutschen Küstenbereichen zurückzuführen sind. Betroffen waren vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Einige Betroffene starben nach RKI-Angaben an der Infektion. Im zeitlichen Verlauf treten die meisten Infektionen demnach zwischen Juni und September auf, jedoch weitet sich der Zeitraum durch längere Wärmeperioden mittlerweile auch auf angrenzende Monate aus.
Informationen zur Belastung von Badegewässern finden Sie auf den Seiten des Umweltbundesamtes (UBAkurz fürUmweltbundesamt): Externer Link:https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/schwimmen-baden/badegewaesser/schadstoffe-belastungen-in-badegewaessern.
Das „Konsiliarlabor für Vibrio spp. in Lebensmitteln“ (kurz KL-Vibrio) am BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung befasst sich insbesondere mit Risiken, die von diesen Bakterien in und auf Lebensmitteln ausgehen. Hierzu zählen vor allem Infektionen (primär Durchfallerkrankungen), die in Zusammenhang mit dem Verzehr beziehungsweise der Zubereitung von Vibrio-haltigen Lebensmitteln, wie Fischen und Meeresfrüchten, stehen.
In der Regel erfolgt der Nachweis von Vibrionen über ein standardisiertes mikrobiologisches Anreicherungs- und Testverfahren, das auf die spezifischen Eigenschaften der Bakterien ausgerichtet ist. Ausgewählte vermeintliche Vibrionen werden angereichert und mit massenspektrometrischen und molekularen Methoden weiter charakterisiert, um insbesondere Spezies nachzuweisen, die mit Erkrankungen beim Menschen in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus werden spezifische Virulenzfaktoren für V. cholerae und V. parahaemolyticus überprüft, also Schädlichkeitsmerkmale (z. B. Toxingene), die hauptsächlich für klinische Erkrankungen verantwortlich sind.
Wesentliche Herausforderungen in der Vibrio-Diagnostik liegen in der Isolierung der Bakterien aus verschiedenen Probenmaterialien (z. B. Lebensmitteln) und in der Spezieszuordnung. Vibrionen reagieren sehr sensibel auf unterschiedliche Einflüsse und können unter Stressbedingungen in einen Ruhezustand übergehen, in dem sie nicht oder nur sehr schwer mikrobiologisch nachweisbar sind.
Aktuell sind mehr als 150 verschiedene Vibrio-Spezies bekannt, deren Unterscheidung zum Teil sehr anspruchsvoll ist.
Die globale Erwärmung und damit verbundene erhöhte Temperaturen des Meerwassers lassen erwarten, dass es weltweit zu einer Zunahme von Vibrio-Infektionen kommen könnte. Dies betrifft besonders das Oberflächenwasser sowie das Meerwasser in Küstennähe. Für tiefere Wasserschichten auf offener See werden die Folgen für das Vorkommen von Vibrionen auf absehbare Zeit weniger stark sein.
Da Fische und Fischereiprodukte in der Regel nicht roh verzehrt, sondern erhitzt oder verarbeitet werden, muss die Sicherheit dieser Lebensmittel hinsichtlich Vibrionen nicht neu bewertet werden. Demgegenüber kommt Fisch und Meeresfrüchten, die roh verzehrt werden (z.B. Sushi, Austern), eine größere Bedeutung zu. Insbesondere Muscheln können aufgrund ihrer natürlichen Ernährungsweise, Meerwasser zu filtern, Vibrionen anreichern, die – in ausreichender Menge – Erkrankungen beim Menschen hervorrufen können. Austern gelten daher allgemein als Risiko-Lebensmittel. Sie werden weltweit häufig mit Durchfallerkrankungen durch Vibrionen in Verbindung gebracht.
Anders zu betrachten ist die Risikobewertung für Infektionen, die sich aufgrund des direkten Kontaktes von Menschen mit Vibrionen-haltigem Meerwasser (z. B. beim Baden), entwickeln. Vibrionen können aus dem Wasser über kleine Hautverletzungen aufgenommen werden und zu Wundinfektionen führen.
Das „Konsiliarlabor für Vibrio spp. in Lebensmitteln“ am BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung hat die Aufgabe, Nachweismethoden für Vibrionen in Meeresfrüchten und Fischereiprodukten für die amtliche Überwachung zu entwickeln sowie die Untersuchungslabore beim Nachweis dieser Bakterien zu beraten und zu unterstützen. Weiterhin forscht das Konsiliarlabor zusammen mit anderen nationalen und internationalen Institutionen an der Biologie und Genetik von Vibrionen, um diese immer besser nachweisen und beurteilen zu können.