Darum geht es:
Derzeit werden vermehrt Erzeugnisse im Handel angeboten, die an Fruchtgummis erinnern, jedoch das berauschende Fliegenpilzgift Muscimol enthalten. Erhältlich sind die Produkte hauptsächlich in Onlineshops. Doch es gibt auch andere Bezugsquellen, wie ein Vorfall im Oktober 2024 in Hessen verdeutlicht: Ein junger Mann wurde nach dem Verzehr eines solchen an Gummibärchen erinnernden muscimolhaltigen Produkts mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er eine Packung aus einem Verkaufsautomaten konsumiert hatte.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) hat die deutschen Giftinformationszentren zu Vergiftungsfällen mit derartigen muscimolhaltigen Produkten befragt. Hier wurden mehrere Fälle mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeldet – darunter vor allem Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma, Verwirrtheit und Erregungszustände. Betroffen waren Jugendliche und Erwachsene, die die Produkte missbräuchlich zu Rauschzwecken konsumiert hatten.
Ein besonderes Risiko dieser Produkte besteht darüber hinaus darin, dass Kinder diese leicht mit Süßigkeiten verwechseln können und dann sogar unter Umständen größere Mengen verzehren als Erwachsene, die diese zu Rauschzwecken dosiert aufnehmen. Eine Online-Recherche des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung zeigt, dass neben Erzeugnissen, die an Fruchtgummis oder Gummibärchen erinnern, auch andere Produkte mit Fliegenpilzgift erhältlich sind, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können, darunter Brownies und Lollis.
Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) ist einer der bekanntesten Pilze überhaupt. Sein Hut zeichnet sich durch die charakteristische rote Färbung mit den weißen Sprenkeln aus. Für die toxischen Wirkungen des Fliegenpilzes werden insbesondere die Inhaltsstoffe Ibotensäure und Muscimol verantwortlich gemacht. Bei der Ibotensäure handelt es sich um eine Aminosäure. Diese wird u. a. im Rahmen der Trocknung und durch Hitzeeinwirkung in Muscimol umgewandelt.
Über viele Jahre wurde das namensgebende Muscarin für die toxischen Wirkungen des Fliegenpilzes verantwortlich gemacht. Im Gegensatz zu anderen Giftpilzen kommt Muscarin im Fliegenpilz aber nur in Spuren vor und ist daher für die toxischen Wirkungen nicht oder nur sehr eingeschränkt verantwortlich.
Gefahrenpotenzial des Fliegenpilzes
In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Fallberichte über Vergiftungen nach Konsum von Fliegenpilzen oder daraus hergestellten Zubereitungen. Die Aufnahme erfolgte dabei entweder absichtlich, beispielsweise mit der Intention, einen Rauschzustand auszulösen, gelegentlich aber auch versehentlich, meist aufgrund einer Verwechslung mit essbaren Pilzen wie dem Kaiserling (Amanita caesaria).
Nach dem Konsum von Fliegenpilzzubereitungen zeigen sich typische Symptome, die durch sich abwechselnde Phasen der Benommenheit und Unruhe gekennzeichnet sind und in Teilen einer Alkoholvergiftung ähneln. Üblicherweise zeigen sich beispielsweise Verwirrtheit, Übelkeit, Orientierungsstörungen, Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Zudem können teilweise unspezifische Symptome, wie Herz-Kreislauf-Störungen, beobachtet werden. Todesfälle nach Verzehr von Fliegenpilzen sind äußerst selten, wurden in Ausnahmefällen aber berichtet. Die Wirkungen setzen üblicherweise etwa 30 Minuten nach dem Konsum ein und klingen in der Regel innerhalb von 24 Stunden wieder ab. Es sind aber auch Fälle beschrieben, in denen die Symptome nach Aufnahme größerer Mengen von Fliegenpilzen deutlich länger andauerten. Abhängig vom genauen Anteil an Ibotensäure und Muscimol können die Symptome in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich ausfallen.
Muscimol
Der Fliegenpilzinhaltsstoff Muscimol weist eine strukturelle Ähnlichkeit zur gamma-Aminobuttersäure (GABA) auf, dem wichtigsten hemmenden Botenstoff im zentralen Nervensystem. Die toxischen Wirkungen werden u. a. durch eine Aktivierung des GABAA-Rezeptors verursacht. Es wird angenommen, dass die berauschenden Wirkungen des Fliegenpilzes primär durch Muscimol verursacht werden. Die Symptome beim Menschen gleichen denen, die weiter oben für eine Vergiftung mit Fliegenpilzzubereitungen beschrieben sind. Psychoaktive Wirkungen wurden beim Menschen ab einer Aufnahmemenge von etwa 7,5-10 mgkurz fürMilligramm beobachtet, leichte Effekte bereits nach Aufnahme von 5 mgkurz fürMilligramm.
Gegenwärtig werden, v. a. auf Online-Plattformen, Erzeugnisse angeboten, denen Muscimol zugesetzt ist. Der Verzehr derartiger Produkte kann zu Rauschzuständen und erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ein besonderes Risiko besteht zudem darin, dass Kinder derartige Produkte leicht mit Süßigkeiten verwechseln können und dadurch ggf. versehentlich hohe Mengen an Muscimol aufnehmen. Hieraus können schwere Vergiftungen resultieren.
Weitere Informationen auf der BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-Website zu Vergiftungsunfällen
- BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-App: Vergiftungsunfälle bei Kindern Zur Seite