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Neue Wege für mehr Tierwohl: Tieferer Einblick in Tierversuche fördert gezielte Entwicklung von Alternativmethoden

52/2017, 20.12.2017

Wissenschaftliche Auswertung der Datenbank AnimalTestInfo identifiziert neue Handlungsfelder für mehr Tierschutz

In Deutschland werden in der zurzeit weltweit einzigartigen Datenbank „AnimalTestInfo“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) allgemeinverständliche Zusammenfassungen über alle genehmigten Tierversuchsvorhaben veröffentlicht. Mithilfe dieser durchsuchbaren Datenbank wird die Öffentlichkeit leicht zugänglich und transparent über Tierversuche informiert. BfR-Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) haben erstmals gezeigt, dass eine systematische Analyse der allgemeinverständlichen Zusammenfassungen in „AnimalTestInfo“ gezielt Forschungsfelder für neue Alternativmethoden identifizieren kann. Dazu gehören Bereiche der biomedizinischen Forschung, in denen konstant viele Tierversuchsvorhaben geplant sind. „Diese Arbeit zeigt, welcher wissenschaftliche Mehrwert in den allgemeinverständlichen Zusammenfassungen über genehmigte Tierversuche steckt“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „In Zukunft streben wir eine EU-weite Lösung für die Datenbank AnimalTestInfo an. Dies erhöht nicht nur die Transparenz von Tierversuchen, sondern fördert auch die Weiterentwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch.“

Die Ergebnisse der BfR-Studie sind in der Fachzeitschrift PLOS Biology als Open Access Artikel veröffentlicht (http://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.2003217)

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren hat die allgemein verständlichen Zusammenfassungen (sogenannte nicht-technische Projektzusammenfassung; NTPs) in der Datenbank „AnimalTestInfo“ exemplarisch an über 5000 geplanten Tierversuchsvorhaben mit insgesamt mehr als 4,8 Millionen genehmigten Versuchstieren wissenschaftlich ausgewertet. Ziel war es, detailliertes Wissen über den Zweck und Nutzen von Tierversuchen zu erhalten, um zukünftig präzise und zeitnah neue Wege für mehr Tierwohl aufzuweisen. Die Ergebnisse des Pilotprojektes haben gezeigt, dass „AnimalTestInfo“ vor allem der Wissenschaft, aber auch den Forschungsförderern und der Politik die Möglichkeit bietet, umfangreiche und wissenschaftlich fundierte Informationen zu Tierversuchen zu erschließen.

Die systematische Analyse der allgemeinverständlichen Zusammenfassungen kann unter anderem gezielt Forschungsfelder für neue Alternativmethoden identifizieren, in denen konstant viele Tierversuchsvorhaben geplant sind, beispielsweise für die Erforschung und Behandlung von Krankheiten des Menschen wie Magen-Darm-Krebs oder Bluthochdruck.

Die EU-Richtlinie zum Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tieren (Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010) gibt vor, dass die Bevölkerung in den einzelnen Mitgliedsstaaten anhand von allgemein verständlichen Zusammenfassungen  transparent über Tierversuche informiert wird. Um der Öffentlichkeit einen einfachen Zugang zu den Informationen zu gewährleisten, hat Deutschland bereits im Jahr 2014 die web-basierte Datenbank „AnimalTestInfo“ des BfR im Internet (www.animaltestinfo.de) für die Veröffentlichung der allgemeinverständlichen Zusammenfassungen etabliert.

Die BfR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren ordneten nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) der Weltgesundheitsorganisation den genehmigten Tierversuchsvorhaben entsprechende ICD-10 Codes zu. Die Ergebnisse zeigen, dass rund 80 % der geplanten Tierversuche die Erforschung menschlicher Erkrankungen zum Ziel haben. Im Zentrum stehen dabei weitverbreitete Krankheiten wie Krebserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen und Erkrankungen des Nervensystems. Aufgrund der angewandten ICD-10-Klassifikation kann zum Beispiel die Unterscheidung von Tierversuchen in der Krebsforschung nach den verschiedenen Organsystemen erfolgen und bietet damit einen besseren Überblick über den Nutzen von Tierversuchen. Die gewonnenen Informationen ermöglichen, gezielt Forschungsfelder für neue Alternativmethoden zum Tierversuch nach dem 3R-Prinzip (replace, reduce, refine) zu identifizieren. Die Anwendung des 3R-Prinzips, d.h. Tierversuche, wenn möglich, durch Alternativmethoden zu ersetzen (Replacement), die Tierzahl auf das notwendige Minimum zu reduzieren (Reduction) und das Wohlergehen von Versuchstieren zu verbessern (Refinement), ist in der tierexperimentellen Forschung von essentieller Bedeutung. Bereiche, in denen konstant hohe Tierversuchszahlen verwendet werden, wie beispielsweise die Erforschung humaner Krebserkrankungen, Bluthochdruck oder degenerative Erkrankungen des Gehirns, können von 3R-Maßnahmen am meisten profitieren.

Ferner zeigt diese Studie, dass in Europa mit den NTPs vor allem der Wissenschaft, aber auch der Forschungsförderer und der Politik erstmals eine umfangreiche Datenquelle über Tierversuchsvorhaben zur Verfügung steht, mit der sich zukünftig besser Handlungsfelder für mehr Tierschutz erschließen lassen. Eine EU-weite Datenbank würde nicht nur die Transparenz über Tierversuche erhöhen, sondern auch die Weiterentwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch verbessern.

Über das Bf3R

Das BfR nimmt die Aufgabe des „Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) wahr und koordiniert bundesweit alle Aktivitäten mit den Zielen, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen durch die Arbeit des Zentrums weltweit Forschungsaktivitäten angeregt und der wissenschaftliche Dialog gefördert werden.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

In diesem Jahr feiert das BfR sein 15-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hat das BfR eine Jubiläumsbroschüre herausgegeben, die unter http://www.bfr.bund.de/de/publikation/broschueren-660.html kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden kann.

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