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Gesundheitlicher Verbraucherschutz ist mehr als nur Lebensmittelsicherheit

06/2001, 02.02.2001

Dass der gesundheitliche Verbraucherschutz weit über die Sicherheit von Lebensmitteln hinausreicht, wurde bei einem Treffen deutlich, zu dem das BgVV gestern Vertreter von Verbraucherschutz-, Tierschutz- und Umweltschutzorganisationen nach Berlin eingeladen hatte. Drei Themen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung, deren Ziel der Austausch und die Erarbeitung gemeinsamer Positionen war. Das wohl brisanteste Thema: Die seit 1999 überfällige nationale Umsetzung der EU-Richtlinie über Biozid-Produkte, die sowohl für Verbraucher als auch für professionelle Anwender endlich mehr Sicherheit im Umgang mit Holzschutz-, Schädlingsbekämpfungs- und anderen biozid wirkenden Mitteln bringen soll. Rund 20.000 solcher Produkte befinden sich auf dem deutschen Markt. Nur für einige existieren zulassungsähnliche Vorgaben. Die meisten unterliegen bis heute keinem Zulassungsverfahren und sind damit auch nicht auf gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft.

Biozide sind Gifte und deshalb grundsätzlich als kritisch anzusehen. Von Biozid-Produkten kann aufgrund ihrer Eigenschaften und Anwendungsformen ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen. Schädlingsbekämpfungsmittel etwa sollen Lebewesen (Insekten und Spinnentiere) töten. Ihr Nutzen liegt in der Abwehr von Schädlingen und von durch diese übertragbaren Krankheiten, bei der Abwehr von Belästigungen und bei der Sicherung von Erzeugnissen. Es gilt also potentielle Risiken gegen einen Nutzen abzuwiegen. Das BgVV fordert ein größtmögliches Maß an Sicherheit beim Verkehr und im Umgang mit Biozid-Produkten, das nur ein Zulassungsverfahren bieten kann.

Die Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass insbesondere Schädlingsbekämpfungs- und Holzschutzmittel häufig nicht sachgerecht angewendet werden. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Gesundheitsschäden sind die Folge. Sicherheitsentscheidungen müssen deshalb bei verbrauchernahen Produkten unter Umständen anders aussehen, als bei professionell anzuwendenden. Bestimmte risikobehaftete Produkte (wie z.B. pyrethroidhaltige Schädlingsbekämpfungsmittel) oder Anwendungsverfahren (Spritz- und Sprühverfahren) dürfen nach Ansicht des BgVV in verbrauchernahen Produkten nicht verwendet werden. Die Nutzen-Risiko-Entscheidung darf sich dabei nicht nur an der Empfehlung oder Gebrauchsanweisung orientieren, sondern am tatsächlichen Umgang des Verbrauchers mit einem Produkt. Ein vorhersehbarer Fehlgebrauch des Konsumenten muss deshalb bei der Sicherheitsentscheidung bereits berücksichtigt werden. Gebrauchsanweisungen müssen so verständlich formuliert sein, dass sie zur Information des Verbrauchers beitragen.

In den chemierechtlichen Regelungen der Europäischen Union herrscht derzeit weitgehend das Prinzip der Gefahrenabwehr vor und nicht der Vorsorgegrundsatz, den das BgVV zur Grundlage seines Handelns macht. Im Sinne der Biozid-Richtlinie wäre es konsequent, das Chemikalienrecht entsprechend anzupassen.

Um Fragen der Kennzeichnung (und Werbung) ging es bei den beiden anderen Themen der Veranstaltung. Das BgVV setzt mit den Vorschlägen seine Initiative für eine effektivere und verbraucherfreundlichere Kennzeichnung fort, die es mit Vorschlägen für eine eindeutigere Gestaltung von Etiketten begonnen hat (vgl. bgvv-pressedienst 04/2001 vom 30. Januar):

Nach den geltenden Kennzeichnungsvorschriften haben Verbraucher nicht die Möglichkeit, Lebensmittel, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt wurden, die sich aber mit den verfügbaren analytischen Methoden nicht von konventionellen Produkten unterscheiden lassen, zu erkennen. Im Interesse der Verbraucher, die ihre Kaufentscheidung aus ethischen oder sonstigen Gründen davon abhängig machen wollen, ob ein Lebensmittel unter Verwendung gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurde oder nicht, hält es das BgVV für geboten, die derzeit geltenden Kennzeichnungsregelungen zu erweitern. Die Pflicht zur Kennzeichnung aller Lebensmittel, die aus oder mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden, würde allerdings den Aufbau eines lückenlosen (europaweiten) Dokumentationssystems voraussetzen, das die derzeitige Kontrolle mit analytischen Methoden durch die Lebensmittelüberwachung ergänzt.

Das BgVV ist der Ansicht, dass bei Lebensmitteln künftig grundsätzlich sämtliche Zutaten, einschliesslich der Einzelzutaten einer zusammengesetzten Zutat, angegeben werden sollten, um mehr Transparenz bei der Deklaration von Lebensmitteln zu schaffen. Ein einheitliches Schema der Nährwertangaben würde dem Verbraucher darüber hinaus die Nutzung der Daten über den Nährwert eines Lebensmittels erleichtern und einen besseren Vergleich mit ähnlichen Produkten ermöglichen. Zur Verbesserung der Verbraucherinformation sollten jedoch nur relevante Nährstoffe deklariert werden.

Schliesslich vertritt das BgVV die Ansicht, dass die krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel auch weiterhin verboten sein sollte. Das Institut wird diese Forderung in den Gremien des Codex Alimentarius vertreten. Defizite bestehen in der Werbung beim Schutz vor Irreführung. Gemeinsame Leitlinien mit der Lebensmittelüberwachung und die verstärkte Aufklärung des Verbrauchers sollen diese Situation künftig verbessern.

Das BgVV möchte die Treffen mit Vertretern aus Verbraucherschutz-, Tierschutz- und Umweltschutzorganisationen gerade auch im Hinblick auf die auf politischer Ebene angestrebte Bündelung und Stärkung des Verbraucherschutzes fortsetzen. Erst die enge Zusammenarbeit und Kommunikation im gesundheitlichen Verbraucherschutz bildet nach Ansicht des BgVV die Voraussetzung für eine effiziente wissenschaftliche Beratung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unter Einbeziehung der berechtigten Interessen der Verbraucher.

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