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Melatonin als Arzneimittel zulassungspflichtig - Empfehlung der Bundesinstitute erfolgt dosisunabhängig!
13/1996, 14.06.1996
Gemeinsame Presseerklärung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin
Nachdem die Überwachungsbehörden der Bundesländer den illegalen Vertrieb von Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel Ende vergangenen Jahres unterbunden hatten, ist jetzt ein solches melatoninhaltiges Produkt nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein wieder frei im Handel erhältlich und wird massiv beworben. Aufgrund zahlreicher Anfragen aus Fach- und Laienkreisen weisen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) noch einmal nachdrücklich darauf hin, daß die wissenschaftliche Einschätzung zu Melatonin (vgl. bgvv-Pressedienst Nr. 22 vom 30.10.95) unverändert aufrecht erhalten wird. Danach handelt es sich bei Melatonin um eine Substanz mit pharmakologischer Wirkung und nicht um ein Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittel. Diese Bewertung erfolgt dosisunabhängig. D.h. sie gilt auch für geringe Melatoningehalte wie z.B. 0,1 mg. Als Fertigarzneimittel bedarf Melatonin einer Zulassung durch das BfArM; Voraussetzung hierfür ist der Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Undenklichkeit. Diese Einschätzung hat das BgVV dem Bundesministerium für Gesundheit mitgeteilt und um entsprechende Information der Länderbehörden gebeten.
Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das in der Zirbeldrüse von Wirbeltieren und Menschen gebildet wird und u.a. das Schlaf-/Wachverhalten beeinflußt. Die Substanz kommt in sehr geringen Mengen auch in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Um dem Körper nur 0,1 mg des Hormons zuzuführen, müßten allerdings z.B. 1 Tonne Gurken oder 200 Kilogramm Bananen verzehrt werden. Präparate mit Melatoningehalten von 0,1-2,0 mg dagegen erhöhen den Plasmaspiegel von Melatonin bereits in einem Maß, wie er durch das körpereigene Hormon als Spitzenspiegel in der Nacht erreicht wird. Schon diese Plasmawerte können schlaffördernd wirken und zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit führen. Auch geringdosierte Melatoninpräparate sind deshalb nach Ansicht von BfArM und BgVV ebenso wie höher dosierte Präparate als nicht verkehrsfähige Arzneimittel einzustufen. Den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den möglichen pharmakologischen Wirkungen von Melatonin hat das BfArM als Literaturauswertung veröffentlicht (Bundesgesundhbl. 5, 1996, S. 170 ff).
Melatonin in isolierter und konzentrierter Form aus pflanzlichen Lebensmitteln dient weder der Ernährung oder dem Genuß, noch besteht ein Bedarf im Sinne eines lebensnotwendigen Mikronährstoffes. Damit ist Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel nach Ansicht des BgVV nicht verkehrsfähig. Wegen der unerwünschten Wirkungen bestehen außerdem nach wie vor erhebliche gesundheitliche Bedenken gegen die unkontrollierte Aufnahme größerer Stoffmengen von Melatonin. BfArM und BgVV halten eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung für zwingend erforderlich.
Die endgültige Entscheidung über die Einstufung von Melatonin obliegt den Überwachungsbehörden der Bundesländer. Sie kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und damit die Verkehrsfähigkeit der Produkte einschließlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit.
Um auch den Direktvertrieb solcher Präparate unterbinden zu können, ist es erforderlich, daß sich die zuständige europäische Kommission in Brüssel für eine einheitliche Beurteilung in den europäischen Ländern einsetzt.