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BfR

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Jahresbericht 2015

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Vegane Ernährung – ein Fall für die

Risikokommunikation?

Ein wachsender Anteil der Bevölkerung entscheidet sich

für eine vegane Ernährung und verzichtet damit auf alle

Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. Ergebnisse von

repräsentativen Befragungen aus den Jahren 2014 und

2015 zeigen, dass ca. 950.000 Menschen in Deutsch-

land vegan leben. Einige Studien bescheinigen dieser Er-

nährungsform einen positiven Effekt auf die Gesundheit:

Sie soll beispielsweise den Cholesterinspiegel auf einem

niedrigen Niveau halten und das Risiko für Herz-Kreislauf-

Erkrankungen sowie Krebs verringern.

Dennoch bestehen bei einer veganen Ernährung mögli-

che Gesundheitsrisiken: Diese betreffen vor allem Säug-

linge, Kleinkinder und Kinder, die während des Wachs-

tums einen hohen Anspruch an die Nährstoffversorgung

haben. Bei einer veganen Ernährung steht hierbei die

mögliche Unterversorgung mit Vitamin B

12

, Eisen, Cal-

cium, Jod und Zink sowie mit langkettigen Omega-3-Fett-

säuren im Vordergrund.

Obwohl die ermittelten Befragungsdaten durch die be-

grenzte Fallzahl nicht repräsentativ sind, lassen sich auf-

grund der zum Teil sehr ausgeprägten Abweichungen zur

Durchschnittsbevölkerung verallgemeinernde Aussagen

treffen.

Veganerinnen und Veganer sind überdurchschnittlich

gebildet und verfügen über ein fundiertes Ernährungs-

wissen. 40 der 42 Teilnehmenden der Fokusgruppen

sind sich darüber im Klaren, dass es bei einer vega-

nen Ernährungsweise zu einer Mangelversorgung mit

Vitamin B

12

kommen kann. Die überwiegende Mehrheit

supplementiert dieses Vitamin deshalb regelmäßig. Zwei

Drittel der vegan Lebenden haben sich vorher bereits

vegetarisch ernährt. Damit begünstigt Vegetarismus

die Entscheidung für eine vegane Lebensweise – Vege-

tarierinnen und Vegetarier haben ihre Ernährung bereits

zuvor grundlegend umgestellt und die Rolle eines „Er-

nährungs-Außenseiters“ eingenommen. Generell spielt

die mediale Berichterstattung eine zentrale Rolle beim

Wandel hin zu einer tierproduktfreien Ernährungsweise.

Für die Mehrheit der Befragten waren Filme über eine

nicht artgerechte Haltung von Tieren der wichtigste Aus-

löser für die Umstellung der Ernährung. Sie sind über-

wiegend davon überzeugt, dass der Mensch kein Recht

hat, Tiere ohne Not zu töten oder leiden zu lassen. Da

die Herstellung von tierischen Produkten Tierleid mit sich

bringen kann, lehnen sie diese grundsätzlich ab. Men-

schenrechte, wie Freiheit und Unversehrtheit, werden

dabei auf die Tiere übertragen. Die publizierte Typisie-

rung von vegan Lebenden in Ethik-, Gesundheits- und

Öko-Veganer hat sich nicht bestätigt. Gesundheitliche

Motive werden selten genannt und sind in der Regel eher

eine willkommene Begleiterscheinung. Bezogen auf die

vegane Ernährung lassen sich demnach einheitliche Ein-

stellungsmuster erkennen.

Auch eine Schwangerschaft veranlasst vegan Leben-

de in der Regel nicht dazu, Tierprodukte (vorüberge-

hend) wieder zu sich zu nehmen. Stattdessen haben

einige Teilnehmende ihre Ernährung gerade wegen der

Schwangerschaft auf vegan umgestellt. Auch Kinder

werden vegan ernährt.

>>

Bei veganer Ernährung bestehen mögliche Gesundheitsrisiken:

Diese betreffen vor allem Säuglinge, Kleinkinder und Kinder,

die während des Wachstums einen hohen Anspruch an die

Nährstoffversorgung haben.

Angesichts der nach wie vor herrschenden wis-

senschaftlichen Unsicherheit zu den Vor- und

Nachteilen einer veganen Ernährungsweise hat

sich die Risikowahrnehmungsforschung am

BfR dieser Thematik gewidmet. Auf Grundla-

ge individueller und sozialer Einflussfaktoren,

die wesentlich zur Motivation und Aufrecht-

erhaltung einer veganen Ernährung beitra-

gen, werden hier zielgruppenspezifische

Risikokommunikationsstrategien entwickelt.

Hierzu wurden Fokusgruppen-Interviews

mit insgesamt 42 Veganerinnen und Ve-

ganern unterschiedlicher Altersgruppen

geführt. Bei dieser qualitativen Untersu-

chungsmethode werden tiefer liegende

oder latente Einstellungen, Werte und

Meinungen erfasst, die erst in Erschei-

nung treten, wenn ein Individuum in Zu-

sammenarbeit mit der Gruppe dazu an-

geregt wird.