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Alternativmethoden zu Tierversuchen

Das Bf3R hat bereits neue Forschungsgeräte ange-

schafft. Was kann mit ihrer Hilfe erreicht werden?

Eines unserer Forschungsziele ist der Informations-

gewinn auf der optischen Ebene, um die Ultrastruktur

von Zellen und Geweben besser zu verstehen. Einen

Raum von der Größe eines Büros kann man sich sehr

leicht vorstellen – zum Beispiel mit Schreibtisch, Stuhl

und Computer. Aber wenn man versucht, sich diesen

Raum so klein wie ein Tausendstel eines Stecknadelkop-

fes zu denken, ist das schwer möglich. Der Mensch ist

aber stark von seinem räumlichen Vorstellungsvermögen

abhängig. Informationen über solche kleinsten Räume

können uns gerade im Bereich der Alternativmethoden-

forschung helfen, um beispielsweise zu verstehen, wie

komplexe Organe funktionieren. Heutzutage können mit-

hilfe hochauflösender Bildgebungsverfahren solche Be-

reiche räumlich dargestellt werden. Wir haben entspre-

chende Geräte angeschafft, um diesen gigantischen

technischen Fortschritt für unsere Zwecke zu nutzen.

Damit können wir Vorgänge auf zellulärer Ebene und von

Organen erforschen sowie Zell- und Gewebekulturme-

thoden entwickeln, mit denen sich Tierversuche ersetzen

oder reduzieren lassen.

Vergibt das Bf3R Forschungsgelder an Projekte zur

Entwicklung von Alternativmethoden?

Schon seit über 20 Jahren werden durch die ZEBET

Gelder ausgelobt. Diese Forschungsförderung hat in

Deutschland einen hohen Stellenwert, denn durch sie

werden Anschubfinanzierungen im Bereich der Alter-

nativmethodenforschung geleistet. Sie richtet sich an

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit vielver-

sprechenden Ideen, denen jedoch noch die notwendi-

gen wissenschaftlichen Ergebnisse fehlen, um bei gro-

ßen Forschungsförderern erfolgreich sein zu können. Mit

unseren Anschubfinanzierungen können wir den Geför-

derten die Möglichkeit bieten, zwei bis drei Jahre Daten

zu generieren, damit sie anschließend eine Förderung

größeren Volumens beantragen können.

Was für Alternativen gibt es bzw. was wurde schon er-

reicht?

In den vielen biomedizinischen Forschungslaboren welt-

weit werden bereits diverse Technologien (Zellkulturmo-

delle, Omics-Technologien, Bildgebungsverfahren etc.)

eingesetzt, die auf Tierversuche verzichten und zu neu-

en Erkenntnissen in der Grundlagenforschung führen.

Im Rahmen der anwendungsorientierten Wissenschaft

gibt es bereits einige OECD-geprüfte und validierte Ver-

fahren, durch die beispielsweise das reizauslösende

Potenzial von Chemikalien an Hautmodellen getestet

wird. Dadurch werden in diesem Bereich Tierversuche

reduziert. Manchmal wird so ein Tierversuch aber doch

gefordert, nämlich dann, wenn Unsicherheit in der Er-

gebnislage besteht.

Warum steigen die Versuchstierzahlen?

Die Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie in nationa-

les Recht im Jahr 2013 hat auch eine Neufassung der

Versuchstiermeldeverordnung mit einer Ausweitung der

Meldepflicht über die Verwendung von Versuchstieren

erforderlich gemacht. So ist nun auch die Verwendung

von Kopffüßern (zum Beispiel Kalmare, Kraken), Larven

von Wirbeltieren und die Zucht genetisch veränderter

Tiere zu melden.

Kann das Bf3R bereits Erfolge verzeichnen?

Aus meiner Sicht eindeutig ja: Das Bf3R hat in der kurzen

Zeit seines Bestehens zum Beispiel erstmals einen inter-

nationalen Vorschlag zur Beurteilung der Belastung ge-

netisch veränderter Fische (Knochenfische, Teleostei) er-

arbeitet, der eine gemeinsame Grundlage für Behörden,

Forschung und Rechtswissenschaft bildet, um Belastun-

gen bei Fischen zu kategorisieren. Hier gibt es noch Lü-

cken, die durch die biologische Forschung geschlossen

werden müssen. Dennoch ist ein solcher – wenn auch

vorläufiger – Konsens notwendig.

Die angesprochene Datenbank AnimalTestInfo ist ein

weiterer Erfolg, weil sie weltweit einzigartig ist, trans-

parent die Öffentlichkeit über Tierversuche aufklärt und

neue und detailliertere Informationen über Tierversuche

in Deutschland liefert, mit denen wir in die Lage versetzt

werden, effektiver Forschungsfelder für die Entwicklung

neuer Alternativmethoden zu identifizieren. Sie unter-

stützt uns somit nicht nur in der eigenen Forschung,

sondern auch bei der wissenschaftlichen Beratung zu

Fördermaßnahmen auf dem Gebiet der Alternativmetho-

denforschung in Deutschland und Europa.

Und nicht zu vergessen ist die wissenschaftliche

Arbeit mit dem Titel „Der ‚vernünftige Grund‘ zur Tötung

von überzähligen Tieren. Eine klassische Frage des

Tierschutzrechts im Kontext der biomedizinischen For-

schung“. Der Begriff des vernünftigen Grundes gehört

zu den schwierigsten und zugleich am meisten disku-

tierten Problemen des deutschen Tierschutzrechts. Mit

diesem Beitrag wurde versucht, das Spannungsverhält-

nis zwischen der modernen biomedizinischen Forschung

und den Belangen des Tierschutzes zu verdeutlichen

und Lösungsansätze zu entwickeln.

||

i

Publikationen des Bf3R

The animal experimentation quandary: stuck between

legislation and scientific freedom.

In: EMBO reports (DOI: 10.15252/embr.201642354)

Considerations for a European animal welfare standard to

evaluate adverse phenotypes in teleost fish.

In: The EMBO Journal (DOI: 10.15252/embj.201694448)

Laboratory animals: German initiative opens up animal data.

In: Nature (DOI: 10.1038/519033d)

Der „vernünftige Grund“ zur Tötung von überzähligen Tieren.

In: Natur und Recht (DOI: 10.1007/s10357-015-2903-9)