BfR Jahresbericht 2013 - page 80

BfR | Jahresbericht 2013
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Toxikologische
In-vitro-
Prüfmethoden für
Nanomaterialien
Weltweit werden der Nanotechnologie große Chancen
zugeschrieben. Die Sicherheit synthetisch hergestellter
Nanomaterialien ist jedoch in vielen Anwendungsgebie-
ten noch nicht hinreichend belegt. Diese neue Techno-
logie kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn sicher-
gestellt ist, dass Nanomaterialien keine unerwünschten
Effekte auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt
haben. Dabei geht es auch um das Erkennen von erbgut-
schädigenden (genotoxischen) oder erbgutverändern-
den (mutagenen) Wirkungen.
Für die Identifikation solcher Risiken werden neben Prü-
fungen an Mäusen und Ratten zunächst
In-vitro-
Tests an
Bakterien und Zellkulturen durchgeführt. Die Ergebnisse
dieser sogenannten
In-vitro
-Genotox-Testbatterie be-
dürfen häufig einer Verifizierung an höher entwickelten
komplexen Organismen, da sich die an den Zellsystemen
nachgewiesenen Effekte für den Säugerorganismus oft-
mals als nicht relevant erweisen. Deshalb steht die Ver-
besserung und Weiterentwicklung sowie die Entwicklung
von neuen
In-vitro-
Testsystemen zur Überprüfung der
(geno-)toxischen Wirkungen im Mittelpunkt vieler For-
schungsvorhaben. Basierend auf der Expertise einer
jahrelangen Erforschung und Bewertung von Alterna-
tiven zum Tierversuch, engagiert sich das BfR darin, tier-
versuchsfreie Testsysteme für Nanomaterialien zu ent-
wickeln. Dazu wirkte es unter anderem in dem EU-Projekt
„Nanogenotox“ mit.
Am BfR erforscht und bewertet die Abteilung Experimentelle Toxikologie und ZEBET verschiedene Alternativ-
und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch nach dem 3R-Prinzip. Sie erstellt neue toxikologische Bewer-
tungsstrategien und widmet sich innovativen online-basierten Technologien zur Suche und Bewertung von
international entwickelten Ersatz- und Ergänzungsmethoden. Zur Reduzierung der Versuchstierzahlen
erarbeitet die Abteilung ebenfalls neue Konzepte. Durch das neue Tierschutzgesetz ist das BfR verpflichtet,
sich mit der Reduzierung von Schmerz und Leid von Versuchstieren zu befassen. Aus diesem Grund ist in
der Abteilung die experimentelle Tierhaltung integriert, die auf eine große versuchstierkundliche Fachkom-
petenz zurückgreifen kann.
Alternativmethoden zu
Tierversuchen
An der breit angelegten europäischen „Joint Action“ un-
ter der Leitung der französischen Lebensmittelbehörde
ANSES beteiligten sich 16 Laboratorien und Institutionen
aus elf europäischen Mitgliedsstaaten von April 2010
bis März 2013. Ziel des Nanogenotox-Projektes war es,
Arbeitsanweisungen zur Prüfung von marktrelevanten,
technisch hergestellten Nanomaterialien auf ihr geno-
toxisches und mutagenes Potenzial zu entwickeln. Die
Methoden sollten anschließend erprobt und an ausge-
wählten Nanomaterialien angewendet werden. Das um-
fangreiche Projekt durchlief zwei Arbeitsphasen: In der
ersten Phase wurde neben der physikalisch-chemischen
Charakterisierung der Materialien unter anderem das
genotoxische Potenzial an verschiedenen
In-vitro
-Zell-
systemen geprüft. Die dabei ausgewählten, als sensitiv
eingeschätzten Zellsysteme der Lunge und des Darms
wurden in der sich anschließenden Phase in Laborver-
gleichsuntersuchungen eingesetzt, um das genotoxische
Potenzial einzelner Nanomaterialien zu testen.
Das BfR war an zwei Arbeitspaketen von „Nanogenotox“
beteiligt. Zum einen leitete das BfR das Arbeitspaket
„Evaluation“ zur Begutachtung aller Arbeiten und Ergeb-
nisse des Konsortiums. In diesem Zusammenhang orga-
nisierte das BfR ein internationales Evaluatorentreffen,
um die erzielten Resultate hinsichtlich regulatorischer
Relevanz zu prüfen. Zum anderen erarbeitete das BfR
Methoden der
In-vitro-
Genotoxizitätsprüfung von Nano-
materialien an humanen Lungenzellen und an dreidimen-
sional rekonstruierten Hautmodellen des Menschen. In
beiden Testsystemen identifizierte das BfR bei den von
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84,85,86,87,88,89,90,...104
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