BfR Jahresbericht 2013 - page 62

BfR | Jahresbericht 2013
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Forschung zu Nanopartikeln in Textilien
und Kunststoffen
Nanomaterialien sind sehr kleine Materialien, die auf-
grund ihrer geringen Größe besondere Eigenschaften
entfalten und deswegen in vielen Verbraucherprodukten
Anwendung finden. Vor allem Nanosilber und Nanoton
sind häufig in der Industrie verwendete Nanopartikel. Na-
nosilber wirkt antimikrobiell und verhindert so zum Bei-
spiel in benutzter Sportkleidung unangenehme Gerüche.
Kunststoffe werden durch Nanotonplättchen steifer. Weil
diese wie eine Barriere gegenüber Gasen und Flüssig-
keiten wirken, wird Nanoton häufig in Lebensmittelver-
packungen eingesetzt. Um Nanotonplättchen im Polymer-
werkstoff zu verankern, werden biozid wirkende quartäre
Ammoniumverbindungen zugesetzt.
Das BfR bewertet regelmäßig den aktuellen Stand der
Analytik, Toxikologie und Regulation von Nanomaterialen
und ist zu diesem Zweck auch in mehreren Forschungs-
projekten eingebunden. Beispiele hierfür sind die EU-
Projekte NANoREG und NanoDefine. Sie sollen Metho-
den zur regulatorischen Testung von Nanomaterialien
entwickeln und nach geeigneten Nachweismethoden zur
Umsetzung der EU-Definition suchen. Beide Vorhaben
begannen 2013. Ein anderes Projekt – nanoGEM – wurde
2013 abgeschlossen (s. Infokasten).
Hinsichtlich des konkreten Einsatzes von Nanopartikeln
in Textilien und Kunststoffen erstellt das BfR zudem re-
gelmäßig gesundheitliche Bewertungen. In seiner Stel-
lungnahme aus dem Jahr 2009 verweist das Institut bei-
spielsweise auf Befunde zu nachteiligen Effekten von
Nanosilber auf lebende Zellen sowie auf das Risiko der
Ausbildung von Resistenzen. Aktuell untersucht das BfR,
ob Verbraucher mit Nanosilber aus Textilien und Nanoton
aus Lebensmittelkontaktmaterialien überhaupt in Kontakt
kommen. Eine solche Exposition ist nicht zwingend gege-
ben. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich Nanopartikel
aus den Produkten herauslösen und auf den Menschen
übergehen können. Um eine mögliche Freisetzung der
Partikel festzustellen, verwendet das BfR künstlich her-
gestellte Schweißlösungen oder Lebensmittelsimulanzien.
Für eine umfassende Analytik werden die Nanomateria-
lien zunächst charakterisiert. Elektronenmikroskope, die
Nanomaterialien bis zu circa 100 Nanometer nachwei-
sen und die Größe der Partikel genau bestimmen kön-
nen, kommen bei Textilien zum Einsatz. Kunststoffe wer-
den zusätzlich mittels Infrarotspektroskopie identifiziert.
Mit der induktiv gekoppelten Massenspektrometrie wird
anschließend bestimmt, welche Konzentrationen an rele-
vanten Elementen im Produkt vorliegen und wie viel nach
unterschiedlichen Zeitintervallen in die künstlichen Simu-
lanzien abgegeben wird.
Bei Textilien deutet sich an, dass die Art der eingesetzten
Produktionstechnologie die Exposition des Verbrauchers
gegenüber Nanosilber erheblich beeinflusst: So wer-
den Nanopartikel, die auf die Faser aufgebracht werden
(Fasercoating), leichter freigesetzt als solche, die in die Fa-
ser eingearbeitet sind. Auch bei Polymerwerkstoffen lässt
sich die Freisetzung von quartären Ammoniumverbindun-
gen steuern, indem ihr Einsatz genau auf den Werkstoff
und das zu verpackende Lebensmittel abgestimmt wird.
Gemeinsam mit 19 Partnern untersuchte das BfR im
vom Bundesministerium für Forschung und Bildung
geförderten Projekt „
nanoGEM
– Nanostrukturierte
Materialien: Gesundheit, Exposition und Material-
eigenschaften“ das gesundheitsbeeinträchtigende
Potenzial von Nanomaterialien. Aufgabe des BfR war
es, mehrere Testsubstanzen systematisch in verschie-
denen biologischen Umgebungen hinsichtlich ihrer
Größe und Wechselwirkung mit Proteinen zu unter-
suchen. Außerdem etablierte das BfR Methoden zur
Untersuchung der Wirkmechanismen und bewertete
mittels computergestützter Modellierung die Exposi-
tion von Verbrauchern gegenüber Nanomaterialien. Im
Ergebnis zeigten nur wenige der 16 Nanomaterialien
schädigende Wirkungen: Wurden die Oberflächen
der Teilchen verändert, konnten schädigende Effekte
gemildert werden. Außerdem besteht keine generell
bedenkliche Belastung des Verbrauchers durch die
Verwendung von Nanomaterialien in Verbraucherpro-
dukten. Vielmehr ist die Gefährdung in Abhängigkeit
vom spezifischen Material im Einzelfall zu ermitteln.
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Das BfR bewertet regel-
mäßig den aktuellen Stand
der Analytik, Toxikologie
und Regulation von Nano-
materialien.
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