BfR Jahresbericht 2014 - page 48

BfR
|
Jahresbericht 2014
46
Bioverfügbarkeit von Blausäure aus
cyanogenen Glykosiden
Bittere Aprikosenkerne, Leinsamen und Maniok enthalten
vergleichsweise hohe Konzentrationen an cyanogenen
Glykosiden. Diese natürlichen Pflanzeninhaltsstoffe tra-
gen chemisch gebundene Blausäure (Cyanid) in sich, die
beim Kauen durch das in den Pflanzen enthaltene Enzym
ß-Glukosidase freigesetzt wird. Nach Aufnahme einer ent-
sprechend hohen Blausäure-Dosis kann es zu einer aku-
ten Vergiftung kommen (s. Kasten Seite 47). Das BfR hat
sich deshalb mit der Frage beschäftigt, ob der Verzehr von
bitteren Aprikosenkernen, Leinsamen und Maniok mit ge-
sundheitlichen Risiken verbunden sein kann.
Dazu wurde eine Humanstudie mit zwölf Probanden
durchgeführt. Diese erhielten morgens entweder bittere
Aprikosenkerne (ca. 2 g), Leinsamen (31 g), Maniok (ca.
100 g) oder Persipan (100 g, u. a. aus bitteren Apriko-
senkernen hergestellt). Alle Studienlebensmittel enthiel-
ten die gleiche Dosis von 6,8 mg Blausäure. Bei den in
regelmäßigen Abständen gemessenen Blausäure-Kon-
zentrationen im Blut der Probanden zeigten sich große
Unterschiede. Während die Blausäure-Werte nach dem
Verzehr von Persipan nur gering anstiegen, lagen sie
bei Maniok und bitteren Aprikosenkernen etwa zehnmal
höher und damit in einem Bereich, der nach Gabe von
6,8 mg freier Blausäure zu erwarten wäre. Die Blausäure-
werte, die nach Verzehr von Leinsamen erreicht wurden,
lagen zwischen den beiden beschriebenen Extremen.
Durch die BfR-Studie wird erstmals deutlich, welchen Ein-
fluss das Enzym ß-Glukosidase auf die Toxizität von blau-
säurehaltigen Lebensmitteln hat: Nur eine hohe Enzym-
aktivität führt zu einer schnellen Freisetzung von Blau-
säure und damit zu einer Toxizität, die mit freier Blausäu-
re vergleichbar ist. Dies ist bei bitteren Aprikosenkernen
(oder Bittermandeln) sowie bei Maniok zu beobachten,
und die Fachliteratur bestätigt diese Erkenntnis: Hier sind
Todesfälle nach dem Verzehr großer Mengen dieser Le-
bensmittel beschrieben. Dagegen ist die natürliche Enzym-
aktivität bei Leinsamen deutlich geringer. Bei Persipan,
das bei der Herstellung stark erhitzt wird, ist das Pflanzen-
enzym weitgehend zerstört. Nur Darmbakterien können
in diesem Fall noch zur Freisetzung von Blausäure bei-
tragen.
>>
Aus bitteren Aprikosenkernen, Leinsamen und Maniok
wird beim Kauen Blausäure freigesetzt. Gesetzliche Regelungen
und Verzehrhinweise reduzieren jedoch das Risiko für
gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Leinsamen ist als Zutat zu Müsli oder Backwaren sehr
beliebt, er enthält jedoch chemisch gebundene Blausäure.
1...,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47 49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,...96