In vielen demokratischen Ländern, so auch in der Schweiz, Deutschland und
Österreich, sind Anhörungen gesetzlich vorgeschriebene Bestandteile
vieler Genehmigungsverfahren, Raumordnungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen.
Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche gesetzliche Vorschriften.
So sieht beispielsweise in den USA der Administrative Procedures Act von 1946
vor, dass bei allen Vorhaben, bei denen die öffentliche Hand maßgeblich
beteiligt ist und größere Auswirkungen auf die Bevölkerung
zu erwarten sind, öffentliche Anhörungen zu veranstalten sind. Anhörungen
sind die meist verbreitete Form von strukturierter Beteiligung in demokratisch
verfassten Ländern. Sie gewinnen auch zunehmend Einfluss in den Direktiven
der Europäischen Union.
Der wesentliche Vorteil der Anhörung ist die Möglichkeit für
Behördenvertretende, die Sorgen und Belange der betroffenen Bevölkerung
oder die Interessen der verschiedenen Gruppen kennen zu lernen.
Bei einer öffentlichen Anhörung sind im Prinzip alle Betroffenen zugelassen,
d.h. das Prinzip einer fairen Repräsentation ist gewährleistet. Allerdings
zeigt sich in der Praxis, dass meist nur die Aktivisten und Vertretende von
organisierten Interessengruppen zu Anhörungen kommen. In den meisten Anhörungen
gibt es Regeln der Beweisführung, die nur Sachaussagen zulassen. Schließlich
sind Anhörungen Instrumente des Informationsaustauschs: Die Gruppenvertretenden
lernen die Ansichten von Fachleuten und Behördenvertretenden kennen, die
Behördenvertretenden werden mit den Problemen und Ansichten der Gruppenvertretenden
konfrontiert.
Die starren Regeln der Anhörung haben jedoch Nachteile. Anhörungen
werden meist so spät in der Risikobewertung veranstaltet, dass sie ihren
Zweck, nämlich bei schwerwiegenden Einwänden eine Korrektur zu ermöglichen,
nicht mehr erfüllen können. Weitere Nachteile:
- Wegen der zeitlichen Begrenzung und der Vorrechte der Podiumsteilnehmenden
kommen nur wenige Betroffene zu Wort. Oft werden Rednerlisten im voraus aufgestellt
oder die Wortbeiträge müssen vorab schriftlich angemeldet werden,
so dass spontane Äußerungen nicht mehr möglich sind.
- Das Egalitätsprinzip ist durch die Trennung in Podium und Zuhörende
verletzt. Die Teilnehmenden am Podium haben gewöhnlich Sonderrechte (etwa
andere Zeitlimitierungen).
- Die Motivation der Behördenvertretenden zur Anhörung ist selten
der Wunsch, die Anliegen der Gruppenvertretenden zu hören und zu beherzigen,
sondern lediglich die gesetzlichen Bestimmungen formal einzuhalten.
Dazu kommen noch einige weitere Probleme, die sich vor allem bei Anhörungen
im Umwelt und Gesundheitsbereich in Deutschland herauskristallisiert haben.
- In vielen Fällen sind Einwendungen und Klagen nur für ganz
bestimmte Gruppen möglich; andere ebenfalls betroffene Gruppen sind ausgeschlossen.
- Verbandsklagen sind nach derzeitigem deutschem Recht nicht möglich.
Organisierte Gruppen müssen meist die betroffene Bürgerschaft vorschieben,
um ihre Belange in den Anhörungen vertreten zu lassen.
- Bei der Festlegung des Anhörungsablaufs kommen in erheblichem Maße
auch intransparente, verwaltungsinterne Vorabstimmungen zum Zuge, von denen
die Einwender in der Regel ausgeschlossen sind und von denen sie erst während
der Anhörung erfahren.