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Effektive Seuchenbekämpfung ist nicht zum Nulltarif zu haben

14/2001, 24.04.2001

Nur durch strenge Kontrollen lassen sich Infektionsrisiken im weltweiten Tierhandel beherrschen

Sind Infektionskrankheiten bei unseren Tieren auf dem Vormarsch und in wie weit besteht ein Risiko für den Verbraucher? - Diese Frage stellen sich viele Bürger angesichts der Meldungen über BSE, Rindertuberkulose sowie Maul- und Klauenseuche. Durch konsequente Bekämpfungsmaßnahmen konnten bedeutungsvolle, für den Menschen relevante Tierseuchen in der Vergangenheit getilgt oder stark zurückgedrängt werden. Darunter auch die Tuberkulose der Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, die Brucellose der Rinder und Schweine sowie die Lungenseuche der Rinder, Schafe und Ziegen. Durch Tierhandel und Tiertransporte (über große Entfernungen und durch Gegenden mit unterschiedlichem Erregervorkommen), durch Lebensmittel und andere Erzeugnisse tierischer Herkunft, aber auch durch den Menschen selbst, können diese und andere Infektionskrankheiten und -erreger aber jederzeit (wieder) nach Deutschland gelangen. Auch wenn sich aus den aktuellen Daten keine für den Verbraucher besorgniserregenden Trends ableiten lassen, warnt das BgVV davor, aufgrund der erzielten Erfolge, in der Seuchenbekämpfung nachzulassen. Infektionsrisiken lassen sich nur durch strenge gesundheitliche Kontrollen aller gehandelten Tiere einschränken. Völlig ausschließen lassen sie sich nicht. Die hierfür erforderlichen Untersuchungen sind personalaufwendig und teuer, aber ohne diesen Aufwand kann der gesundheitliche Verbraucherschutz nicht gewährleistet werden.

Krankheiten, die durch direkten Kontakt oder über vom Tier stammende Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können, werden als Zoonosen bezeichnet. Zu ihnen zählt eine Reihe durch Bakterien und Viren übertragbarer Krankheiten, aber z.B. auch die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE). Die Maul- und Klauenseuche ist keine Zoonose im engeren Sinn. Sie zählt zwar zu den ansteckendsten Tierseuchen, ist für die Gesundheit des Menschen aber kaum von Bedeutung. Wie wichtig eine konsequente und kontinuierliche Seuchenbekämpfung ist, wird am Beispiel der Tuberkulose deutlich: Die Tuberkulose des Rindes wird durch das Mycobacterium (M.) bovis verursacht. Die Tierseuche kommt weltweit vor. Der Erreger kann über unzureichend erhitzte, kontaminierte Milch, aber auch direkt auf den Menschen übertragen werden und löst bei ihm die klassische Tuberkulose aus. 1950 handelte es sich noch bei 10 bis 30 % aller Tuberkulosefälle des Menschen in Deutschland und Europa um Infektionen mit M. bovis. Mit der konsequenten staatlichen Bekämpfung der Rindertuberkulose und der strikten Pasteurisierung der Milch haben Infektionen mit M. bovis ihre Bedeutung für den Menschen weitgehend verloren. Seit 1997 gilt Deutschland als "frei" von Rindertuberkulose, d.h. dass nur noch in unter 0,01 % aller Bestände vereinzelte Tuberkulosefälle auftreten.

Als Folge des Rückgangs der Tuberkulosefälle wurden bewährte seuchenhygienische und tierseuchendiagnostische Maßnahmen Mitte der 90er Jahre erheblich eingeschränkt. So wurde beispielsweise auf die "Intrakutanprobe", in Rinderbeständen verzichtet. Dieser Hauttest lieferte aber nicht nur Hinweise auf Infektionen mit M. bovis, sondern (bei Anwendung von Geflügeltuberkulin) auch auf M. avium, den Erreger der Geflügeltuberkulose. Man versprach sich davon Einsparungen von jährlich rund 10 Millionen DM. Das BgVV wies darauf hin, dass mit diesen Einsparungen ein Rückschritt im Verbraucherschutz in Kauf genommen würde und dass die Reduzierung diagnostischer Überwachungsverfahren vor dem Hintergrund des weltweiten Tierhandels nicht sinnvoll sei. Zwischenzeitlich haben Infektionen mit M. avium weltweit eine neue gesundheitliche Bedeutung gewonnen. Im Vordergrund stehen dabei Infektionen bei HIV-infizierten Patienten mit oftmals tödlichem Verlauf. Auch bei nicht HIV-infizierten Personen ist ein Anstieg an Infektionen mit M. avium zu verzeichnen. Das Gefährdungspotential liegt vor allem in der Resistenz der Erreger gegenüber den herkömmlichen Medikamenten. Für ein weiteres Mykobakterium, den Erreger der Paratuberkulose des Rindes, M. avium ssp. paratuberculosis, wird eine Beteiligung an der Entstehung und Entwicklung von Morbus Crohn, einer schweren chronischen Darminfektion des Menschen, diskutiert.

Eine weitere seuchenhygienisch bedenkliche Entwicklung belegen die jährlich vom BgVV herausgegebenen Zoonosenberichte: Danach ist ein allgemeiner Rückgang der labordiagnostischen Erregerdifferenzierungen zu verzeichnen. Von deren Zahl hängt aber der Wert der prognostischen Aussagen ab. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Änderung in den Verzehrsgewohnheiten mit einem erhöhten Risiko für die Übertragung von Zoonosen einhergeht. Insbesondere der Trend hin zu naturbelassenen, rohen Lebensmittel ist unter seuchenhygienischen Aspekten als kritisch zu betrachten. Rohe Milch und nicht erhitzte oder nach der Erhitzung wieder kontaminierte Fleischprodukte können ideale Nährböden für eine Reihe von Krankheitserregern sein.

Zur Kontrolle und Überwachung bedeutungsvoller Zoonosen- und Tierseuchenerreger wurde in Deutschland eine Reihe von Referenz- und Konsiliarlaboratorien eingerichtet. Einige davon sind am BgVV angesiedelt. Sie erarbeiten und bewerten neue labordiagnostische Methoden und schaffen durch die Entwicklung molekularbiologischer Charakterisierungsverfahren die Grundlage zur Aufklärung von Infektionsquellen und -ketten. Eine kostenlose Übersicht über die deutschen Referenz- und Konsiliarlaboratorien kann schriftlich in der Pressestelle des BgVV angefordert werden. Die jährlichen Zoonosenberichte finden Sie auf der Website des Instituts unter www.bgvv.de.

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