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Zell-Test kann die Prüfung der Phototoxizität von Chemikalien am Tier ersetzen

05/2000, 24.02.2000

Am Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) entwickelte Testmethode offiziell von der Europäischen Union akzeptiert

Am 4. Februar 2000 haben die zuständigen Behörden der Europäischen Union eine tierversuchsfreie Methode zur Prüfung der Phototoxizität von chemischen Substanzen offiziell akzeptiert. Dieser In-vitro-Phototoxizitätstest wurde unter Federführung der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) des BgVV entwickelt. Damit steht nun erstmals eine validierte und innerhalb der Europäischen Union amtlich anerkannte Methode zur Prüfung der Phototoxizität zur Verfügung.

In Tests zur Phototoxizität wird untersucht, wie sich chemische Stoffe unter dem Einfluß von Licht auf die Gesundheit auswirken. Ein chemischer Stoff wird dann als phototoxisch bezeichnet, wenn es nach dem Auftragen oder der Einnahme des Stoffes zu Rötungen, Schwellungen oder anderen Reaktionen bzw. Schädigungen der Haut oder anderer Organe kommt, die dem Licht und der Sonne ausgesetzt sind.

Die Prüfung der Phototoxizität ist bei Arzneimitteln und solchen Substanzen erforderlich, die in kosmetischen Mitteln als Sonnenschutzfilter verwendet werden. Bisher werden von den Herstellern im Bereich der kosmetischen Mitteln zwar Angaben zur Phototoxizität der eingesetzten Substanzen verlangt, es war aber keine Prüfmethode vorgeschrieben. In der Praxis erfolgte üblicherweise die phototoxische Prüfung in Tierversuchen. Mäuse, Ratten, Meerschweinchen oder Kaninchen wurden dabei mit Prüfsubstanzen behandelt und dann mit UV-Licht an der rasierten Haut bestrahlt.

Bei der tierversuchsfreien Methode des BgVV werden Zellen von Mäusen oder der menschlichen Haut während der Kultivierung im Brutschrank mit Prüfsubstanzen behandelt und mit UV-Licht bestrahlt. Überraschenderweise sagt der BgVV-Zellkulturtest phototoxische Reaktionen beim Menschen erheblich besser vorher als die Tierversuche. Für die sicherheitstoxikologische Risikoabschätzung beim den Menschen ist somit der neue Zellkulturtest sehr viel besser geeignet als der Tierversuch. Außerdem ist er billiger und sehr viel rascher durchzuführen. Weltweit setzt die kosmetische Industrie den neuen Test bereits zur Prüfung der Unbedenklichkeit von UV-Filterstoffen in Sonnenschutzmitteln ein.

Die ZEBET im BgVV hat seit 1992 in enger Zusammenarbeit mit den wichtigsten Firmen der europäischen Kosmetikindustrie bzw. dem Verband der Hersteller von Kosmetika (COLIPA) in Brüssel diesen In-vitro-Test zur Prüfung auf phototoxische Eigenschaften neuer Chemikalien entwickelt. Trotz der guten Übereinstimmung der Ergebnisse, die der Zellkulturtest im Vergleich mit den am Menschen beobachteten Wirkungen erbrachte, mußte der neue Test in einer großen Zahl von Laboratorien der Kosmetikindustrie in Europa, Japan und den USA auf seine Zuverlässigkeit geprüft werden. Die Prüfung hatte unter blinden Bedingungen mit codierten Prüfsubstanzen zu erfolgen. Diese Art der experimentellen Überprüfung der Zuverlässigkeit einer neuen Prüfmethode für den Verbraucherschutz heißt Validierung. Sie ist international vorgeschrieben. Erst wenn die Validierung abgeschlossen ist, wird eine neue Prüfmethode von den für den Verbraucherschutz zuständigen Behörden international anerkannt. Die Ergebnisse dieser eingehenden experimentellen Validierung sind nunmehr von der zuständigen Behörde in Brüssel, der Generaldirektion für Umwelt, Reaktorsicherheit und Chemikalien (DG E) positiv bewertet und damit offiziell akzeptiert worden.

Zugelassene sicherheitstoxikologische Prüfmethoden sind im Anhang V der Gefahrstoffverordnung für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Güter verzeichnet (EU Direktive 67/548/EEC). Am 4. Februar 2000 haben die Vertreter der 15 EU Mitgliedsstaaten der 27. Änderung der EU Gefahrstoffverordnung zugestimmt. Durch diese Änderung wurden zum ersten Mal tierversuchsfreie, sogenannte "Alternativmethoden" in den Anhang V der Gefahrstoffverordnung aufgenommen. Es handelt sich dabei um den In-vitro-Phototoxizitätstest des BgVV sowie zwei Methoden zur Prüfung chemischer Stoffe auf Ätzwirkung an der Haut, bei denen künstliche menschliche Haut bzw. Rattenhaut verwendet wird. Aufgrund der EU Direktive 86/609/EEC zum Schutz von Versuchstieren dürfen nach der formellen Bestätigung durch das Europaparlament und 6 Monate nach der Veröffentlichung dieser Änderung im Amts- bzw. Gesetzblatt der EU in EU Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet Testung der Photoxizität von Substanzen für kosmetische Mittel und Arzneimittel sowie Testung der Ätzwirkung an der Haut bei Chemikalien keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. Fällt der In-vitro-Test auf Ätzwirkung negativ aus, sind jedoch weiterhin Tierversuche zur Prüfung der Reizwirkung von Chemikalien notwendig.

Wissenschaftlich markiert die Zellkulturmethode einen weiteren Neuanfang, da diese neue Methode über die üblichen Tierversuche hinaus in der Lage ist, toxische Wirkungen am Menschen mit großer Sicherheit vorherzusagen. Für den Tierschutz und den Verbraucherschutz in Deutschland und Europa aber auch für das BgVV ist dieser Erfolg ein ermutigender Durchbruch. Das Institut konnte am Beispiel der Phototoxizität erstmals zeigen, dass es möglich ist, mit Hilfe experimentell validierter Zellkulturmethoden das Risiko für den Menschen richtig abzuschätzen und auf diese Weise belastende Tierversuche zu ersetzen.

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