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Einsatz von Hanf in Lebensmitteln kann gesundheitlich problematisch sein

26/1997, 22.10.1997

BgVV empfiehlt Begrenzung der täglichen Aufnahme an Tetrahydrocannabinol

Mit dem verstärkten Anbau von Nutzhanf in Deutschland hat auch der Einsatz von Teilen der Hanfpflanze bei der Lebensmittelherstellung an Bedeutung gewonnen. Der Handel bietet eine Reihe hanfhaltiger Produkte, wie Bier, Limonade, Hanfsamenöl, Hanfsamen und daraus hergestellte Lebensmittel an. Für die gesundheitliche Bewertung ist vor allem der Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), dem rauscherzeugenden Hauptinhaltsstoff der Hanfpflanze, entscheidend. Die Wirkungen, die THC nach oraler Aufnahme beim Menschen erzeugen kann, sind nicht ausreichend untersucht, um eine abschließende gesundheitliche Bewertung vorzunehmen. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes empfiehlt das BgVV aber, eine tägliche Aufnahmemenge an THC von 1-2µg/kg Körpergewicht nicht zu überschreiten. Diese Einschätzung ist gemeinsam mit der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln (SKLM) erarbeitet worden. Eine Analysenmethode zur Bestimmung von THC in Lebensmitteln wird derzeit unter Federführung des BgVV entwickelt.

Die verschiedenen Kulturformen des Hanfes werden unter dem Speziesnamen Cannabis sativa zusammengefaßt. Aus dem gewöhnlichen Hanf, Cannabis sativa (non indica), werden Hanffasern gewonnen, für die Herstellung rauscherzeugender Drogen ist er weitgehend bedeutungslos. Eng verwandt mit dem Hanf ist der Hopfen. Dies mag die Verwendung männlicher Hanfblüten bei der Bierherstellung erklären. Hanfblüten werden hier offenbar zur Geschmacksabrundung eingesetzt und erfüllen damit einen technologischen Zweck. Die amtliche Lebensmittelüberwachung hat gegen diese Verwendung Einwände erhoben, da es sich bei Hanfblüten nicht um einen zugelassenen Zusatzstoff handelt.

Hanfsamen enthält bis zu 35 % fettes Öl und rund 25 % Protein. Bestimmte Pflanzenteile, z.B. männliche Blüten, oder auch einige Kulturrassen der Gattung Cannabis werden als THC-arm angesehen. Für die Verwendung in Lebensmitteln muß sichergestellt werden, daß die THC-Gehalte weder durch Verunreinigung mit THC-reichen Pflanzenteilen noch durch entsprechende Anbaubedingungen erhöht werden.

Im Tierversuch hat Delta-9-Tetrahydrocannabinol Mißbildungen hervorgerufen, sich als embryotoxisch erwiesen und negative Auswirkungen auf die Fortpflanzung gezeigt. Hormonelle Störungen und immunschwächende Effekte sind beschrieben. THC hat eine lange Halbwertzeit, passiert die Plazenta und ist in der Muttermilch nachweisbar.

Beim Menschen wurde nach oraler Aufnahme eine Vielzahl unerwünschter Wirkungen beobachtet. Dazu gehört neben dem Einfluß auf das zentrale Nervensystem mit Schwindel, Bewußtseinsstörungen, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Euphorie und Angstgefühlen, die Erhöhung der Herzfrequenz. Wechselwirkungen von THC mit Alkohol und zahlreichen zentralnervös wirksamen Medikamenten sind bekannt. Wirkungen auf das Herzkreislauf-System wurden bei einer oralen Dosis von 12 mg THC/Tag, Wirkungen auf das zentrale Nervensystem bereits bei 2,5 mg beobachtet, was bei einem Körpergewicht von 60 Kilogramm einer Aufnahmemenge von ca. 40 µg/kg Körpergewicht (KG) und Tag (d) entspricht. Da eine Dosis ohne Wirkung bis heute nicht bekannt ist, sollte nach Ansicht des BgVV, unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabstandes, eine tägliche Aufnahmemenge an THC von 1-2µg pro kg KG nicht überschritten werden. Wegen der offenen wissenschaftlichen Fragen ist dieser Wert als vorläufig anzusehen. Es muß darüberhinaus sichergestellt sein, daß auch andere Inhaltsstoffe nicht in toxikologisch relevanten Mengen in hanfhaltigen Lebensmitteln enthalten sind.

In der Schweiz war es in der Vergangenheit zu Vergiftungen durch THC-haltiges Hanfsamen-Speiseöl gekommen. Die Überwachungsbehörden hatten THC-Konzentrationen von bis zu 1.500 mg/kg Lebensmittel gemessen. Erste stichprobenartige Untersuchungen hanfhaltiger Lebensmittel in Deutschland zeigen, daß hier vor allem Hanfsamenöl, aber auch Hanfsamen und Zubereitungen mit Hanfsamen wesentlich zur THC-Aufnahme beitragen können. Der Verzehr dieser Erzeugnisse kann zu Aufnahmemengen führen, die über der tolerierbaren Dosis von 1-2µg THC/kg KG und Tag liegen. Dagegen ist die THC-Aufnahme aus den bisher untersuchten hanfhaltigen Getränken, wegen ihrer geringen THC-Mengen, zu vernachlässigen.

Unabhängig von der wissenschaftlichen Bewertung müßte zunächst auf europäischer Ebene geklärt werden, ob der Einsatz von Hanf in Lebensmitteln überhaupt akzeptiert werden soll, oder mit welchen Einschränkungen. Das United Nations International Narcotics Control Board hatte dahingehende Bedenken geäußert, daß der Einsatz von Hanf in Lebensmitteln die Bereitschaft zum Konsum illegaler Hanfprodukte erhöhen und den Maßnahmen zur Einschränkung des Drogenmißbrauchs entgegenwirken könnte. Soweit Hanf auch in Zukunft in Lebensmitteln eingesetzt wird, hält das BgVV die Festsetzung von THC-Höchstmengen für erforderlich, sobald die analytische Datenlage dies erlaubt.

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