FAQ des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung vom 1. März 2016
Glyphosat ist weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln. Glyphosat wird wie jeder andere Pflanzenschutzmittelwirkstoff im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung turnusmäßig hinsichtlich seiner Risiken für Gesundheit und Umwelt sowie seiner WirksamkeitPositiver prädiktiver WertZum Glossareintrag neu bewertet. Berichterstatter für die gemeinschaftliche Prüfung und Bewertung von Glyphosat ist Deutschland. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung) wurde im Verfahren der Neubewertung mit der Bewertung des gesundheitlichen Risikos des Wirkstoffes und einer Beispielformulierung beauftragt. Für die gesundheitliche Bewertung hat das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung mehr als 1000 Studien, Dokumente und Veröffentlichungen geprüft und ausgewertet. Inzwischen wurde das wissenschaftliche Bewertungsverfahren zum Wirkstoff Glyphosat auf der europäischen Ebene abgeschlossen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)) hat ihre Schlussfolgerung (EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) Conclusion) zur Risikobewertung an die Europäische Kommission und an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union übergeben und hat damit den Entscheidungsprozess des Risikomanagements eingeleitet. Die EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat den überarbeiteten Bewertungsbericht (Renewal Assessment Report) einschließlich der zugehörigen Ergänzungen nach Auswertung der öffentlichen und fachlichen Konsultationen (Peer Review Report) und das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung-Addendum zur Bewertung der IARC-Monographie auf ihrer Homepage unter www.efsa.europa.eu veröffentlicht.
Die Dokumente können eingesehen werden unter:
Aufgrund der breiten öffentlichen Diskussion hat das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung Fragen und Antworten zu Glyphosat und glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln und ihrer gesundheitlichen Bewertung erarbeitet.
[Accordion] Fragen und Antworten zur Bewertung des gesundheitlichen Risikos von Glyphosat
Glyphosat wird nach oraler Verabreichung zu etwa 20 % aus dem Magen-Darm-Trakt absorbiert und innerhalb von 7 Tagen wieder nahezu vollständig ausgeschieden. In Tierversuchen zeigt Glyphosat eine geringe akute Toxizität nach einmaliger oraler, dermaler oder inhalativer Verabreichung. Glyphosat ist augenreizend, aber nicht hautreizend oder sensibilisierend/allergen.
Bei wiederholter Verabreichung von Glyphosat kam es in Dosierungen oberhalb des NOAEL (No-observed adverse effect level) zu Veränderungen der Speicheldrüsen und Wirkungen auf die Leber und den Blinddarm, außerdem traten schleimhautreizende Effekte im Magen-Darm-Trakt und in der Harnblase sowie Linsentrübung der Augen auf. In allen Studien konnte ein klarer NOAEL, d.h. eine höchste Dosis, bei der keine gesundheitlich schädigenden Wirkungen auftreten, festgestellt werden.
Studien an Ratten und Kaninchen ergaben, dass Glyphosat nach den in Europa gesetzlichen Bestimmungen der CLP-Verordnung nicht als entwicklungstoxisch oder teratogen einzustufen ist. Nach Verabreichung sehr hoher Dosierungen an trächtige Kaninchen, traten vereinzelt Anomalien bei den Nachkommen auf. Da diese Effekte jedoch auf Dosierungen beschränkt waren, in denen die Kaninchen bereits deutliche Vergiftungssymptome und Mortalität zeigten, wurde aus diesen Befunden - entsprechend den international anerkannten Bewertungsprinzipien - kein Risiko für Entwicklungsstörungen bei Menschen abgeleitet.
Nicht nur die Experten der EU sind in der EFSAkurz fürEuropean Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) - Conclusion zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat nicht frucht- oder entwicklungsschädigend beim Säuger, einschließlich des Menschen ist. Diese Auffassung vertreten auch das wissenschaftliche Gremium Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der WHO und die US-Umweltbehörde EPA.
Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, bestimmte entwicklungstoxische Effekte von chemischen Stoffen in Versuchen an Frosch- oder Hühnerembryonen zu erkennen, so sind sie dennoch nicht als Testsysteme in der human-toxikologischen Prüfung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und anderen Chemikalien validiert, d.h. hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit, Praktikabilität und Wiederholbarkeit der Ergebnisse geprüft und von der EU und internationalen Organisationen (wie der OECD) anerkannt. Aus diesem Grunde können die Ergebnisse solcher Studien nur mit Einschränkungen für die gesundheitliche Risikobewertung verwendet werden.
Bei den von Professor Carrasco (Universität Buenos Aires) durchgeführten Untersuchungen an Frosch- oder Hühnerembryonen ist zu berücksichtigen, dass die Testsubstanzen direkt an die Nachkommen, d.h. durch Beimischung ins Nährmedium bzw. durch Injektion ins Hühnerei, verabreicht wurden. Die Richtlinien für die Toxizitätsprüfung von Chemikalien schreiben jedoch vor, dass die Testsubstanz den Muttertieren oral bzw. über die Haut oder die Atemluft verabreicht werden soll, d.h. die Nachkommen werden abhängig vom Übergang der Testsubstanz durch die Plazenta exponiert.
Glyphosat ist ein zugelassener Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zur Unkrautbekämpfung und zur Sikkation (Vorerntebehandlung). Rückstände in Lebensmitteln und Futtermitteln bis zum erlaubten Rückstandshöchstgehalt sind daher zulässig. Menschen und Tiere können folglich über Lebensmittel und Futtermittel geringe Mengen an Glyphosat aufnehmen. Da Glyphosat vom Körper schnell wieder ausgeschieden wird, ist zu erwarten, dass Spuren des Wirkstoffes im Urin von Menschen und Tieren nachzuweisen sind. Die bisher nachgewiesenen Glyphosatkonzentrationen im Urin weisen jedoch nicht auf eine gesundheitlich bedenkliche Belastung von Anwendern oder Verbrauchern mit Glyphosat hin.
Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung hat hierzu eine Übersicht nach Auswertung von Studien aus Europa und den USA veröffentlicht, in denen Urinproben auf Glyphosatrückstände hin untersucht worden sind (http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00003-014-0927-3#page-1).
Landwirtschaftliche Nutztiere können aufgrund der Rückstände in Futtermitteln größere Mengen von Glyphosat im Urin ausscheiden als Menschen. Dies geht aus Untersuchungen an deutschen und dänischen Milchkühen hervor. Die wenigen bislang vorliegenden Daten zeigen, dass auch hier die abgeschätzte Aufnahme deutlich unter den Konzentrationen lag, die in toxikologischen Studien Effekte hervorriefen, und somit keine gesundheitliche Gefährdung anzunehmen ist.
Weitere Informationen zur Frage des Nachweises von Glyphosat in Urin sind auch in derAntwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag vom 1. Juli 2013 nachzulesen.
Externer Link:http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/142/1714291.pdf
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 25. Juni 2015 berichtet, dass ein Labor in 16 Muttermilchproben den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat gefunden hat, und die Ergebnisse als „sehr besorgniserregend“ bezeichnet. Eine große Zahl von Müttern wurde durch die Studie sehr verunsichert.
Für die Untersuchung der 16 Muttermilchproben auf Glyphosat hatte das Prüfungslabor als Nachweisverfahren einen sogenannten ELISA-Test verwendet. Die Glyphosat-Konzentrationen in den Proben sollen zwischen 0,21 und 0,43 ng/mL gelegen haben. Der Hersteller des ELISA-Tests gibt für den Nachweis von Glyphosat in Milch mit dieser Methode allerdings eine Empfindlichkeit von nur 75 ng/mL an. Zudem wurden die positiven Befunde in Muttermilch nicht durch ein unabhängiges Analyseverfahren bestätigt. Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung äußerte deshalb wissenschaftliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Ergebnisse und gab eine eigene Studie in Auftrag, um valide Ergebnisse zu erzielen. Aus den vorliegenden Daten ging außerdem nicht hervor, ob der Test vorher für alle untersuchten Matrices (Muttermilch, Urin) validiert worden ist. Dies wäre für eine belastbare Aussage erforderlich. Die in der Muttermilch gemessenen Werte sind daher weder ein Indiz für eine Akkumulation des Wirkstoffes im Körper noch für eine Gesundheitsgefährdung.
Grundsätzlich bezieht sich jede Bewertung von Risiken immer auf den bestimmungsgemäßen oder absehbaren Gebrauch. Dass durch Missbrauch, fahrlässige oder falsche Anwendungen nicht abzuschätzende Risiken entstehen können, ist offensichtlich. Im Bereich Pflanzenschutzmittel hat der Gesetzgeber deswegen verschiedene Kontrollen vorgesehen. Die Kontrolle der bestimmungsgemäßen Anwendung ist aber nicht Aufgabe des BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung als Risikobewertungsbehörde, sondern verantwortlich sind hier die zuständigen Managementbehörden. Dies sind laut Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) die Länderbehörden. Für den Fall der Nichteinhaltung der Bestimmungen sind im Abschnitt 13 des PflSchG entsprechende Straf- und Bußgeldvorschriften enthalten. Nach PflSchG ist auch vorgeschrieben, dass eine großflächige Anwendung ausschließlich nur durch qualifizierte Fachleute mit einem Sachkundenachweis erfolgen darf, die regelmäßig eine entsprechende Weiterbildung wahrnehmen müssen.
Damit auch im Privatbereich eine bestimmungsgemäße Anwendung erfolgt, ist im PflSchG eine Beratungspflicht der Händler beim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln vorgeschrieben. Die Überwachungsbehörden kontrollieren, ob diese Vorschrift vom Handel eingehalten wird. Zudem sind die Anwendungsbestimmungen und die vollständigen Bewertungsberichte auf der Webseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVLkurz fürBundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) zu finden.
ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag steht für „Acceptable Daily Intake“ (duldbare tägliche Aufnahmemenge) und gibt die Menge eines Stoffes an, die ein Verbraucher täglich und ein Leben lang ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann. Der ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag-Wert wird zur Bewertung des chronischen Risi-kos für Verbraucher verwendet.
AOELkurz fürAcceptable Operator Exposure Level (akzeptable Exposition für den Anwender) steht für „Acceptable Operator Exposure Level“ und gibt die zulässige Expositionshöhe für Anwender während der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln an, bei der kein erkennbares Gesundheitsrisiko besteht.
Im Rahmen der Neubewertung von Glyphosat wurden zahlreiche neue toxikologische Studien vorgelegt und überprüft, die weit über die geforderte Anzahl von Tierversuchen hinausgehen und die bei der ursprünglichen Bewertung nicht vorlagen. Die Festlegung des ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag und des AOELkurz fürAcceptable Operator Exposure Level (akzeptable Exposition für den Anwender) erfolgte bei der Neubewertung des Wirkstoffes unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Studien und Informationen.
ARfDkurz fürAcute Reference Dose (akute Referenzdosis) steht für „Akute Referenzdosis“ und gibt die Menge eines Stoffes an, die Verbraucher bei einer Mahlzeit oder bei mehreren Mahlzeiten über einen Tag ohne erkennbares Gesundheitsrisiko mit der Nahrung aufnehmen können. Die ARfDkurz fürAcute Reference Dose (akute Referenzdosis) stellt somit einen Grenzwert für die Risikobewertung mit Bezug auf eine Kurzzeit-Exposition von Verbrauchern dar.
Im Rahmen der Neubewertung von Glyphosat wurden alle vorliegenden toxikologischen Studien in Hinsicht auf gesundheitsschädliche Effekte nach einmaliger oder kurzzeitiger Exposition überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass in den Studien zur Entwicklungstoxizität an Kaninchen bei den Muttertieren schwerwiegende Effekte (Mortalität und Post-Implantationsverlust) bei vergleichsweise niedrigen Dosierungen (ab 100 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm Körpergewicht pro Tag) auftreten können. Aus diesem Grunde wurde eine ARfDkurz fürAcute Reference Dose (akute Referenzdosis) von 0,5 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm Körpergewicht abgeleitet. Diese basiert auf dem NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) von 50 mgkurz fürMilligramm/kgkurz fürKilogramm Körpergewicht, d.h. auf der höchsten Dosis, bei der im Rahmen dieser Studie noch kein toxischer Effekt beobachtet wurde, und einem Sicherheitsfaktor von 100.
Das BfRkurz fürBundesinstitut für Risikobewertung ist derzeit dabei, die deutschen Lebensmittelmonitoringdaten der vergangenen sechs Jahre auszuwerten, um Aussagen zur durchschnittlichen Exposition von Verbrauchern gegenüber Pflanzenschutzmittelrückständen treffen zu können. Die Auswertungen sind noch nicht abgeschlossen und derzeit deshalb auch noch nicht nachzulesen. Eine Veröffentlichung nach Abschluss der Arbeiten ist vorgesehen.
Für Glyphosat hat die bisherige Auswertung ergeben, dass über alle Lebensmittel hinweg, die in den vergangenen sechs Jahren im Rahmen des Lebensmittelmonitorings untersucht worden sind, knapp 1400 Proben auf Glyphosat untersucht wurden. Für eine belastbare Aussage zur Exposition der deutschen Bevölkerung ist diese Probenzahl als zu gering einzuschätzen. Insgesamt sind nur in weniger als 4 % der untersuchten Proben Rückstände gefunden worden. Die Glyphosatexposition entspricht auf Grundlage dieser 24 Befunde weniger als 1 % des ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag-Wertes. ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag steht für „Acceptable Daily Intake“ (duldbare tägliche Aufnahmemenge) und gibt die Menge eines Stoffes an, die ein Verbraucher täglich und ein Leben lang ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann. Der ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)ADIkurz fürAcceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge) - Acceptable Daily Intake (akzeptable tägliche Aufnahmemenge)Zum Glossareintrag-Wert wird zur Bewertung des chronischen Risikos für Verbraucher verwendet.